Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
Lie­ge­kur. Bo­ris war nicht da. Holl­mann stand am
Aus­gang.
    »Wenn Sie ab­so­lut
fah­ren wol­len, dann neh­men Sie we­nigs­tens die Ei­sen­bahn«, sag­te das Kro­ko­dil.
    Lil­li­an zeig­te der
Ober­schwes­ter stumm ih­ren Pelz und ih­re Woll­sa­chen. Das Kro­ko­dil mach­te ei­ne
ver­ächt­li­che Be­we­gung. »Das nützt nichts! Wol­len Sie mit Ge­walt Selbst­mord
be­ge­hen?«
    »Das tun wir
al­le – der ei­ne schnel­ler, der an­de­re lang­sa­mer. Wir fah­ren vor­sich­tig.
Und nicht weit.«
    Die Aus­gangs­tür war
jetzt ganz na­he. Die Son­ne blen­de­te von drau­ßen her­ein. Noch ein paar Schrit­te,
dach­te Lil­li­an, und das Spieß­ru­ten­lau­fen ist zu En­de. Noch einen Schritt! »Sie
sind ge­warnt wor­den«, sag­te die gleich­mä­ßi­ge, kal­te Stim­me ne­ben ihr. »Wir
wa­schen un­se­re Hän­de in Un­schuld!«
    Es war ihr nicht
da­nach zu­mu­te, aber Lil­li­an muß­te lä­cheln. Das Kro­ko­dil hat­te mit ei­nem letz­ten
Kli­schee die Si­tua­ti­on ge­ret­tet. »Wa­schen Sie sie in ste­ri­li­sier­ter Un­schuld«,
sag­te Lil­li­an. »Adieu! Dan­ke für al­les.«
    Sie war drau­ßen.
Der Schnee re­flek­tier­te das Licht so stark, daß sie kaum se­hen konn­te. »Auf
Wie­der­se­hen, Holl­mann!«
    »Auf Wie­der­sehn,
Lil­li­an. Ich kom­me bald nach.«
    Sie blick­te auf. Er
lach­te. Gott sei Dank, dach­te sie, end­lich kein Schul­meis­ter. Holl­mann pack­te
sie in ih­re Woll­sa­chen und ih­ren Pelz. »Wir wer­den lang­sam fah­ren«, sag­te
Cler­fa­yt. »Wenn die Son­ne un­ter­geht, ma­chen wir das Ver­deck zu. Jetzt schüt­zen
die Sei­ten­tei­le Sie ge­gen den Wind.«
    »Ja«, er­wi­der­te
sie. »Kön­nen wir ab­fah­ren?«
    »Ha­ben Sie nichts
ver­ges­sen?«
    »Nein.«
    »Wenn doch, dann
kann man es nach­schi­cken las­sen.«
    Dar­an hat­te sie
nicht ge­dacht. Es trös­te­te sie plötz­lich. Sie hat­te ge­glaubt, al­le Ver­bin­dun­gen
wür­den ab­ge­ris­sen sein, wenn sie ab­füh­re. »Ja, wirk­lich, man kann es sich
nach­schi­cken las­sen«, sag­te sie.
    Ein klei­ner Mann,
der wie ei­ne Kreu­zung zwi­schen ei­nem Kell­ner und ei­nem Küs­ter aus­sah, kam rasch
über den Platz. Cler­fa­yt stutz­te. »Das ist doch ...«
    Der Mann ging zum
Ein­gang, dicht am Wa­gen vor­bei, und Cler­fa­yt er­kann­te ihn jetzt. Er trug einen
dunklen An­zug, einen schwar­zen Hut und einen Rei­se­kof­fer. Es war der
Lei­chen­be­glei­ter; er war wie ver­wan­delt – nicht mehr zer­knit­tert und
mür­risch, son­dern fröh­lich und au­to­ri­ta­tiv. Er war auf dem We­ge nach Bo­gotá.
    »Wer?« frag­te
Lil­li­an.
    »Nichts. Ich
glaub­te einen Be­kann­ten ge­se­hen zu ha­ben. Fer­tig?«
    »Ja«, sag­te
Lil­li­an. »Fer­tig.«
    Der Wa­gen fuhr an.
Holl­mann wink­te. Bo­ris war nicht zu se­hen. Der Hund lief noch ei­ne Wei­le hin­ter
dem Wa­gen her, dann blieb er zu­rück. Lil­li­an blick­te sich um. Auf den
Son­nen­ter­ras­sen, die eben noch leer ge­we­sen wa­ren, stand auf ein­mal ei­ne Rei­he
von Men­schen. Die Kran­ken, die oben auf ih­ren Lie­ge­stüh­len ge­le­gen hat­ten,
hat­ten sich er­ho­ben. Sie hat­ten durch den Un­ter­grund­te­le­gra­phen des Sa­na­to­ri­ums
längst er­fah­ren, was vor­ging, und jetzt, als sie den Mo­tor hör­ten, stan­den sie
in ei­ner dün­nen Rei­he da, dun­kel ge­gen den star­ken, blau­en Him­mel, und starr­ten
hin­ab.
    »Wie auf dem
obers­ten Rang ei­ner Stier­kampf­are­na«, sag­te Cler­fa­yt.
    »Ja«, er­wi­der­te
Lil­li­an. »Aber was sind wir? Die Stie­re oder die Ma­ta­do­re?«
    »Im­mer die Stie­re.
Aber wir glau­ben, wir wä­ren die Ma­ta­do­re.«

7
    D er Wa­gen glitt
lang­sam durch ei­ne wei­ße Schlucht, über der wie ein Bach der en­zian­blaue Him­mel
floß. Sie wa­ren über den Paß hin­weg, aber der Schnee war noch fast zwei Me­ter
hoch zu bei­den Sei­ten der Stra­ße auf­ge­schich­tet. Man konn­te nicht über ihn
hin­aus­se­hen. Nichts war da als die Schnee­mau­ern und das blaue Band des Him­mels.
Wenn man sich lan­ge ge­nug zu­rück­lehn­te, wuß­te man nicht mehr, was un­ten oder
oben war, das Blau oder das Weiß.
    Dann kam der Ge­ruch
von Harz und Tan­nen, und ein Dorf schob sich braun und flach her­an. Cler­fa­yt
hielt. »Wir kön­nen

Weitere Kostenlose Bücher