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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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wur­den Kon­zer­te für Träu­me, und aus
Räu­men, die voll ge­stopft wa­ren mit Gi­go­los, Neu­rei­chen, zwei­fel­haf­ten,
tö­rich­ten Frau­en und Men­schen, die nicht nach Hau­se gin­gen, weil sie nicht
wuß­ten, was sie dort tun soll­ten oder die auf ein Aben­teu­er oder ein Ge­schäft
rech­ne­ten, wur­de das fun­keln­de Bac­cha­nal des Da­seins, weil sie es so woll­te und
weil sie des­we­gen ge­kom­men war.
    Das ist es, dach­te
Cler­fa­yt, das ist es, was sie an­ders macht als al­le die, die hier her­um­sit­zen.
Die an­dern wol­len ein Aben­teu­er, ein Ge­schäft, ein biß­chen har­mo­ni­schen Lärm,
um ih­re Lee­re aus­zu­fül­len – sie aber ist dem Le­ben auf der Spur, im­mer nur
dem Le­ben, und sie jagt es wie ei­ne be­ses­se­ne Jä­ge­rin den wei­ßen Hirsch und das
Ein­horn der Fa­bel, sie jagt es so un­abläs­sig, daß es an­ste­ckend wirkt, sie hat
kei­ne Hem­mun­gen, sie schaut nicht zur Sei­te, und wäh­rend man sich ab­wech­selnd alt
und ver­braucht oder kin­der­jung in ih­rer Nä­he fühlt, tau­chen aus ver­ges­se­nen
Jah­ren auf ein­mal Ge­sich­ter auf, Wün­sche, Schat­ten von Träu­men und, über al­lem,
wie ein Blitz im Zwie­licht, das ver­schol­le­ne Ge­fühl von der Ein­zig­ar­tig­keit des
Le­bens.
    Die Zi­geu­ner hin­gen
um den Tisch her­um, ge­bückt, mit wa­chen Plüschau­gen, und spiel­ten. Lil­li­an
hör­te hin­ge­ris­sen zu. Für sie war das al­les wirk­lich, dach­te Cler­fa­yt, es war
die Puß­ta, die ein­sa­me Kla­ge der Nacht, die Ein­sam­keit, das ers­te Feu­er, an dem
der Mensch Schutz ge­sucht hat­te, und selbst das äl­tes­te, ab­ge­grif­fens­te,
sen­ti­men­tals­te Lied war für sie ein Lied der Mensch­heit, Trau­er des
Hal­ten­wol­lens und nicht Hal­ten­kön­nens. Ly­dia Mo­rel­li moch­te recht ha­ben, es war
pro­vin­zi­ell, wenn man so woll­te, aber hol's der Teu­fel, wenn man sie nicht
ge­ra­de des­we­gen an­be­ten muß­te.
    »Ich glau­be, ich
ha­be zu­viel ge­trun­ken«, sag­te er.
    »Was ist zu­viel?«
    »Wenn man sich
selbst nicht mehr kennt.«
    »Dann will ich
im­mer zu­viel trin­ken. Ich lie­be mich selbst nicht.«
    Sie fürch­tet sich
vor nichts, dach­te Cler­fa­yt. So wie die­se Bu­de ihr Ab­bild des Le­bens ist, so
hat je­de Ba­na­li­tät für sie den Reiz, den sie hat­te, als sie das ers­te Mal
aus­ge­spro­chen wur­de und noch voll Geist war. Es ist nicht aus­zu­hal­ten! Sie muß
ster­ben, das weiß sie, aber sie hat es in sich auf­ge­nom­men wie ein an­de­rer
Mor­phi­um, und das ver­wan­delt al­les für sie, sie fürch­tet nichts, nichts ist
Blas­phe­mie, nichts Ba­na­li­tät, und – zur Höl­le – warum sit­ze ich hier
und füh­le ein ge­lin­des Grau­en und stür­ze mich nicht auch in die­sen
un­be­denk­li­chen Wir­bel hin­ein?
    »Ich be­te dich an«,
sag­te er.
    »Sag das nicht zu
oft«, er­wi­der­te sie. »Da­zu muß man sehr un­ab­hän­gig sein.«
    »Bei dir nicht.«
    »Sag es im­mer«,
sag­te sie. »Ich brau­che es wie Atem und Wein.«
    Cler­fa­yt lach­te. »Bei­des
stimmt. Aber wer fragt da­nach, ob et­was stimmt! Wo­hin ge­hen wir jetzt?«
    »Ins Ho­tel. Ich
will aus­zie­hen.«
    Cler­fa­yt be­schloß,
sich über nichts mehr zu wun­dern. »Gut. Ge­hen wir pa­cken.« sag­te er.
    »Mei­ne Sa­chen sind
schon ge­packt.«
    »Wo­hin willst du
zie­hen?«
    »In ein an­de­res
Ho­tel. Seit zwei Ta­gen ruft um die­se Zeit je­mand bei mir an. Ei­ne Frau, die mir
er­zählt, ich sol­le zu­rück­ge­hen, wo­hin ich ge­hö­re – und noch ei­ni­ge an­de­re
Sa­chen da­zu.«
    Cler­fa­yt sah sie
an. »Hast du dem Nacht­por­tier nicht ge­sagt, das Te­le­fon nicht durch­zu­stel­len?«
    »Ja! Aber es
ge­lingt ihr durch­zu­kom­men. Ges­tern hat sie ihm ge­sagt, sie sei mei­ne Mut­ter.
Sie hat einen Ak­zent, sie ist kei­ne Fran­zö­sin.«
    Ly­dia Mo­rel­li,
dach­te Cler­fa­yt. »Warum hast du mir nichts da­von ge­sagt?«
    »Wo­zu? Ist das Ritz
voll?«
    »Nein.«
    »Gut. On­kel Gas­ton
wird ohn­mäch­tig wer­den, wenn er hört, wo ich mor­gen woh­nen wer­de.«
    Lil­li­an hat­te nicht
ge­packt. Cler­fa­yt lieh vom Nacht­por­tier einen rie­si­gen Schrank­kof­fer, den ein
deut­scher Ma­jor beim Rück­zug hat­te ste­hen las­sen, und pack­te

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