E.M. Remarque
bronzene Füße. Ich
vergaß einen Augenblick die schwüle Ahnung, die ich hatte.
»Hier!« meinte ich. »Nur hier! Über dieser
Kommode.«
Mrs. Whymper sagte nichts. Sie blickte mich
mit einem fast abwesenden, verschleierten Blick an. »Glauben Sie nicht auch?«
fragte ich und hielt den kleinen Renoir über die Kommode.
Sie blickte mich weiter an und lächelte.
»Wenn ich einen Stuhl hätte, um daraufzusteigen«, sagte ich.
»Nehmen Sie doch einen«, sagte sie endlich.
»Von diesen Louis-XVI.-Stühlen?«
Sie lächelte weiter. »Warum nicht?«
Ich probierte einen der Stühle. Er war noch
nicht wacklig. Vorsichtig bestieg ich ihn und begann die Wand auszumessen.
Hinter mir blieb es still. Ich bestimmte die Höhe des Bildes und setzte den
Bildernagel an. Bevor ich hämmerte, blickte ich mich um. Mrs. Whymper stand da
wie vorher, eine Zigarette in der Hand, mit einem sonderbaren Lächeln, und sah
mir zu. Ich fühlte mich unbehaglich und schlug rasch zu. Der Haken hielt, und ich
nahm das Bild, das ich auf die Platte der Kommode gelegt hatte, und hängte es
auf. Dann kletterte ich vom Stuhl und stellte ihn wieder zur Seite. Mrs.
Whymper hatte sich immer noch nicht gerührt. Sie betrachtete mich weiter.
»Gefällt es Ihnen so?« fragte ich und nahm
meine Sachen an mich. Sie nickte und ging mir voraus zur Treppe. Ich atmete
erleichtert auf und folgte ihr. Sie ging zum ersten Zimmer zurück und hob die
Karaffe. »Einen Steigbügeltrunk?«
»Gerne«, sagte ich und nahm mir vor, beim
zweiten Steigbügeltrunk zu erklären, daß ich zu einer Beerdigung müßte. Es war
nicht nötig. Die sonderbare Stimmung hielt an. Mrs. Whymper sah mich an und
schien mich nicht zu sehen. Sie lächelte ein wenig, und ich wußte nicht recht,
ob sie belustigt war oder nicht. Als alter Masochist nahm ich an, daß sie sich
über mich lustig machte.
»Ich habe den Scheck noch nicht
ausschreiben lassen«, sagte sie. »Kommen Sie doch in den nächsten Tagen und
holen Sie ihn ab.«
»Gern. Ich werde vorher telefonieren.«
»Sie können ohne das kommen. Um fünf Uhr
bin ich immer zu Hause. Und danke für das Rezept mit dem Wodka.«
Ich trat verwirrt auf die heiße Straße. Ich
hatte das Gefühl, daß ich auf eine recht feine Weise zum Narren gehalten worden
war, durch jemand, von dem ich schon geglaubt hatte, daß er sich etwas
lächerlich gemacht hatte, und ich konnte mir denken, daß es mir das nächstemal
nicht anders ergehen würde. Doch ich war dessen nicht so ganz sicher. Es könnte
auch anders kommen, und ich hatte keine Lust, das zu erfahren. Auf jeden Fall
war weiter keine Gefahr da. Den Scheck würde Silvers selbst abholen wollen. Er
wollte sich von mir nicht in die Karten blicken lassen.
»Ohne Wagen?« fragte ich Natascha.
»Ohne Wagen, ohne Chauffeur, ohne Wodka und
ohne Mut. Es ist zu heiß. Dieses Hotel sollte sich eine Klimaanlage einbauen
lassen.«
»Der Besitzer wird das nie tun.«
»Sicher nicht, der Bandit.«
»Wir haben Eis für Moscow Mules«, sagte
ich. »Ingwer-Bier und Limes und Wodka.«
Sie sah mich zärtlich an. »Hast du das
alles besorgt?«
»Alles. Ich habe schon zwei Martinis hinter
mir.«
Sie lachte. »Bei Mrs. Whymper?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Sie ist bekannt dafür.«
»Für was? Für ihre Martinis?«
»Für ihre Martinis auch.«
»Sie ist eine alte Schnapsdrossel. Mich
wundert, daß alles so glatt gegangen ist.«
»Hat sie schon bezahlt?«
»Noch nicht. Warum? Glaubst du, daß sie das
Bild zurückgeben wird?« fragte ich alarmiert.
»Das nicht.«
»Hat sie so viel Geld, daß sie einfach so
kaufen kann, ohne nachzudenken?«
»Das auch. Außerdem liebt sie junge
Männer.«
»Was?«
»Du hast ihr gefallen.«
»Natascha«, sagte ich. »Meinst du das
ernst? Du hast mich doch nicht an die alte Säuferin verkuppeln wollen.«
Sie lachte. »Komm«,
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