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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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nied­ri­ge­ren Häu­ser. »Wie
fin­dest du es?« frag­te Na­ta­scha.
    »So, wie man in New York le­ben soll­te. Mit
so­viel Licht und Wei­te und die­sem Blick. Du hast recht, wir wä­ren ver­rückt,
wenn wir uns heu­te von hier fort­be­weg­ten!«
    »Hol' uns die Sonn­tags­zei­tun­gen! Der Ki­osk
ist gleich an der Ecke. Dann ha­ben wir al­les, was wir brau­chen. Ich wer­de
in­zwi­schen ver­su­chen, Kaf­fee zu ma­chen.«
    Ich ging zum Auf­zug hin­über.
    Ich kauf­te die Sonn­tags­aus­ga­ben der New
York Ti­mes und der He­rald Tri­bu­ne, je­de ei­ni­ge hun­dert Sei­ten stark. Ich dach­te
dar­über nach, ob die Leu­te zur Zeit Goe­thes glück­li­cher wa­ren, als nur die
rei­chen und ge­bil­de­ten Leu­te Zei­tun­gen la­sen. Ich kam zu dem Er­geb­nis, daß das,
was man nicht weiß, einen nicht un­glück­lich ma­chen kann – ein ziem­lich
be­schei­de­nes Re­sul­tat.
    Ich starr­te in den fri­schen Him­mel, in dem
ein Flug­zeug kreis­te, und schüt­tel­te mei­ne Ge­dan­ken ab wie Flö­he. Ich ging ein
Stück die Zwei­te Ave­nue ent­lang. Links war ein bay­ri­scher Metz­ger, da­ne­ben der
De­li­ka­tes­sen­la­den der drei Brü­der Stern.
    Ich bog wie­der in die 57. Stra­ße ein und
fuhr zum fünf­zehn­ten Stock em­por mit ei­nem Schwu­len, der sich als Jas­per
vor­stell­te, rot­haa­rig war und ein ka­rier­tes Sport­jackett trug. Sein Pu­del war
weiß und hieß René. Jas­per lud mich zum Früh­stück ein. Ich ent­kam, um vie­les
hei­te­rer, und klin­gel­te.
    Na­ta­scha emp­fing mich, einen Tur­ban um den
Kopf ge­bun­den, ein Ba­de­tuch um die Hüf­ten und na­he­zu nackt. »Groß­ar­tig!« sag­te
ich und warf die Zei­tun­gen auf einen Stuhl im Vor­zim­mer. »Das paßt zur
Be­schrei­bung die­ser Eta­ge!«
    »Was für ei­ne Be­schrei­bung?«
    »Die Nick, der Zei­tungs­ver­käu­fer an der
Ecke, ge­ge­ben hat. Er be­haup­tet, daß hier frü­her ein­mal ein Puff ge­we­sen sei.«
    »Ich ha­be ein Bad ge­nom­men«, sag­te
Na­ta­scha. »Ein zwei­tes. Dies­mal kalt. Du kamst nicht wie­der. Hast du am Ti­mes
Squa­re die Zei­tun­gen ge­holt?«
    »Ich war in ei­ner frem­den Welt. Bei den
Ho­mos. Weißt du, daß es hier da­von wim­melt?«
    Sie nick­te und warf ihr Ba­de­tuch weg. »Ich
weiß es. Die­se Woh­nung ge­hört auch ei­nem, der an­ders ist, da­mit du es end­lich
weißt.«
    »Hast du mich des­halb in die­sem Auf­zug
emp­fan­gen?«
    »Dar­über ha­be ich nicht nach­ge­dacht. Aber
ich mein­te, es könn­te dir nicht scha­den.«
    ***
    Wir la­gen auf dem
Bett. Nach dem Kaf­fee tran­ken wir Bier. Da­zu hat­ten wir uns von der
Sonn­tags­ver­tre­tung der Brü­der Stern Pa­stra­mi, Sa­la­mi, But­ter, Kä­se und dunkles
Brot her­über­schi­cken las­sen. Man braucht in Ame­ri­ka ja nur zu te­le­fo­nie­ren, um
al­les zu er­hal­ten. Auch am Sonn­tag. Es wur­de ei­nem so­gar her­über­ge­bracht, man
brauch­te nur die Tür einen Spalt zu öff­nen und es ent­ge­gen­zu­neh­men. Ein
herr­li­ches Land, wenn man Emp­fän­ger die­ser über­ra­schen­den Seg­nun­gen war.
    »Ich be­te dich an, Na­ta­scha«, sag­te ich.
Ich hat­te mich ge­ra­de ge­wei­gert, einen rot­sei­de­nen Py­ja­ma des an­ony­men
Woh­nungs­be­sit­zers an­zu­zie­hen, den sie mir zu­ge­wor­fen hat­te. »Ich be­te dich an,
wie Gott mich ge­schaf­fen hat, aber ich wer­de die­ses Ding nicht an­zie­hen.«
    »Aber Ro­bert. Es ist doch ge­wa­schen und
ge­bü­gelt, und Jer­ry ist ein sehr sau­be­rer Mensch.«
    »Wer?«
    »Jer­ry. Du schläfst doch auch in dei­nem
Ho­tel in Bet­tü­chern, in de­nen weiß wer vor­her ge­schla­fen hat!«
    »Rich­tig. Ich den­ke trotz­dem nicht gern
dar­an. Au­ßer­dem ist es an­onym. Ich ken­ne die Leu­te nicht.«
    »Jer­ry kennst du doch auch nicht.«
    »Ich ken­ne ihn durch dich. Es ist ein
ähn­li­cher Un­ter­schied, wie wenn man ein Huhn ißt, das man nicht kennt, oder
ei­nes, das man auf­ge­zo­gen hat und das man beim Na­men ruft.«
    »Scha­de! Ich hät­te dich gern in ei­nem ro­ten
Py­ja­ma ge­se­hen. Aber jetzt bin ich schläf­rig. Läßt du mich ei­ne Stun­de
schla­fen? Ich bin warm von Pa­stra­mi, Bier und Lie­be. Du kannst die Zei­tun­gen
le­sen.«
    »Ich den­ke nicht dar­an. Ich blei­be ne­ben
dir

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