Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
Vom Netzwerk:
un­ser Da­sein hier schat­ten­haft und
fast ob­szön macht. Man kämpft – un­ter an­de­rem – auch für uns, will
uns aber nicht da­bei­ha­ben. Und wenn schon, dann nur sel­ten und un­ter
Vor­sichts­maß­re­geln und am Ran­de.«
    »In Frank­reich konn­te man sich zur
Frem­den­le­gi­on mel­den«, sag­te Grä­fen­heim und leg­te den Schlamm­he­ber weg.
    »Ha­ben Sie sich ge­mel­det?«
    »Nein.«
    »Sie woll­ten nicht auf Deut­sche schie­ßen,
war es nicht das?«
    »Ich woll­te über­haupt nicht schie­ßen.«
    Ich hob die Schul­tern. »Manch­mal bleibt
ei­nem kei­ne Wahl. Man muß auf et­was schie­ßen.«
    »Nur auf sich selbst.«
    »Un­sinn! Aber es ist vie­len so ge­gan­gen,
daß sie nicht auf Deut­sche schie­ßen woll­ten. Sie wuß­ten, daß die, auf die sie
hät­ten schie­ßen wol­len, nicht an der Front wa­ren. An der Front war das
harm­lo­se, brav ge­hor­chen­de Ka­no­nen­fut­ter.«
    Grä­fen­heim nick­te. »Man traut uns nicht.
Nicht un­se­rer Ent­rüs­tung und un­se­rem Haß. Es ist wie bei Tan­nen­baum, er macht
die Lis­ten, aber er wür­de nie­mals schie­ßen. Un­ge­fähr so, oder nicht?«
    »Un­ge­fähr so. Selbst Kahn woll­ten sie nicht
ha­ben. Ich glau­be, sie ha­ben recht.«
    Ich ging durch die wei­ßen Kor­ri­do­re mit den
wei­ßen Lam­pen hin­aus. Ich ging zu­rück in die schat­ten­haf­te Exis­tenz, als leb­te
ich auf ei­ner ma­gi­schen In­sel im Sturm, die aber nur zwei Di­men­sio­nen hat­te und
kei­ne drei. Es war an­ders als die Jah­re in Eu­ro­pa, wo die drit­te Di­men­si­on
durch den Kampf ge­gen Bü­ro­kra­tie, Be­hör­den, Gen­darmen, den Kampf um
Auf­ent­halts­er­laub­nis­se, schwar­ze Ar­beit, mit Zoll­be­am­ten und mit Po­li­zis­ten,
mit dem Kampf um die nack­te Exis­tenz ge­bil­det wor­den war. Hier wa­ren wir
plötz­lich in der Wind­stil­le, in ei­ner Wind­stil­le von Zei­tungs­schlag­zei­len,
Ra­dio­nach­rich­ten und ei­nem Krieg, der weit­ab, durch einen Ozean ge­trennt, auf
ei­nem an­de­ren Kon­ti­nent ge­führt wur­de, ei­nem Nach­rich­ten­krieg, bei dem kein
feind­li­ches Flug­zeug je am ame­ri­ka­ni­schen Him­mel er­schi­en, kei­ne Bom­be
ein­schlug, kein Ma­schi­nen­ge­wehr bell­te. Ich ging da­hin, in der Ta­sche die
Nach­richt, daß mei­ne Auf­ent­halts­er­laub­nis auf wei­te­re drei Mo­na­te ver­län­gert
wor­den war, ein ›Ene­my Ali­en‹, ein feind­li­cher Aus­län­der, der aber nicht so
feind­lich war, daß man ihn ein­sperr­te; ich wan­der­te da­hin durch den großen Wind
der Stadt, ein Fun­ke Le­ben, der nicht er­lö­schen woll­te, ein Frem­der, der tief
at­me­te und vor sich hin pfiff, ein biß­chen Da­sein un­ter dem falschen Na­men
Ross.
    ***
    »Ei­ne Woh­nung!« sag­te ich.
»Lam­pen! Mö­bel! Ein Bett! Ei­ne Frau! Ein elek­tri­scher Grill, auf dem man
Fleisch­stücke brät! Ein Glas Wod­ka! Das un­glück­li­che Le­ben, zu dem ich ver­dammt
bin, hat aber auch ei­ne hel­le Sei­te. Man ge­wöhnt sich an nichts, und das ist
gut. Man ge­nießt es, als wä­re es im­mer das ers­te Mal! Man ge­nießt es je­des Mal
vom Kno­chen her! Nicht von au­ßen; vom Kno­chen, vom Rücken­mark und dem, was vom
Schä­del um­schlos­sen ist. Laß dich an­se­hen. Ich be­te dich schon des­we­gen an,
weil du da bist. Weil wir zur glei­chen Zeit le­ben. Dann erst kommt das an­de­re.
Ich bin Ro­bin­son, der im­mer wie­der aufs neue sei­nen Frei­tag fin­det! Spu­ren im
Sand. Spu­ren von Fü­ßen. Du bist der ers­te Mensch. Im­mer wie­der. Das ist die
hel­le Sei­te mei­nes ver­fluch­ten Le­bens.«
    »Wie­viel hast du ge­trun­ken?« frag­te
Na­ta­scha.
    »Nichts. Kaf­fee und Trau­rig­keit. Nichts
sonst.«
    »Bist du trau­rig?«
    »Man ist für ei­ne kur­ze Zeit trau­rig, wenn
man so lebt wie ich. Dann wirft man sich her­um wie ein Schla­fen­der nachts. Die
Trau­er wird der Hin­ter­grund, vor dem das Le­ben deut­li­cher wird. Sie sinkt hin­ab
wie ein Stein, und der Was­ser­stand des Le­bens wird hö­her. Was ich dir hier
sa­ge, stimmt nicht ganz. Ich will nur, daß es so sei. Aber et­was dar­an stimmt
trotz­dem. Sonst ver­schleißt man sich selbst wie ein Stück Samt zwi­schen
Ra­sier­mes­sern.«
    »Es ist gut, daß du nicht trau­rig bist«,
sag­te Na­ta­scha. »Auf die

Weitere Kostenlose Bücher