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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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tauscht ein­fach einen ge­gen den an­de­ren aus?«
    Sie lach­te. »Na­tür­lich nicht. So ist das
nicht. Es ist nicht ei­ner ge­gen den an­dern – es ist Nichtal­lein­sein ge­gen
Al­lein­sein. Män­ner kön­nen viel­leicht al­lein sein, Frau­en nicht.«
    »Du kannst nicht al­lein sein?«
    »Nicht gut, Ro­bert. Ich bin ein Efeu.
Al­lein krie­che ich auf dem Bo­den her­um und ver­fau­le.«
    »Auch in zwei Wo­chen schon?«
    »Wer weiß, wie lan­ge du weg­bleibst. Ich
glau­be nie an Da­ten. Be­son­ders nicht an Da­ten von Rück­kehr.«
    »Das sind ja schö­ne Aus­sich­ten!«
    Sie warf sich her­um und küß­te mich.
»Möch­test du lie­ber ei­ne Trä­nen­lie­se, die ins Klos­ter geht?«
    »Zum Hier blei­ben nicht, zum Weg­ge­hen
schon.«
    »Man kann nicht al­les ha­ben.«
    »Das ist der trau­rigs­te Satz, den es gibt.«
    »Nicht der trau­rigs­te. Der wei­ses­te.«
    Ich wuß­te, daß wir spiel­ten, doch es war
ein Spiel, in dem die Pfei­le nicht stumpf wa­ren. Die Wor­te dran­gen wei­ter als
nur un­ter die Haut. »Ich wür­de hier blei­ben, wenn ich könn­te«, sag­te ich. »In
die­ser Zeit nach Hol­ly­wood zu ge­hen, scheint mir ge­nau das Ver­kehr­te. Aber ich
wür­de in ei­ner Wo­che nichts mehr zu es­sen ha­ben, wenn ich nicht mit­gin­ge.
Sil­vers wür­de einen an­de­ren As­sis­ten­ten en­ga­gie­ren.«
    Ich haß­te mich, weil ich das sag­te. Ich
hat­te mich nicht auf Er­klä­run­gen ein­las­sen wol­len, ich woll­te nicht in ei­ne
Si­tua­ti­on sol­cher Ab­hän­gig­keit ge­ra­ten, in der ich Er­klä­run­gen ab­ge­ben muß wie
ein Schlapp­schwanz von Ehe­mann. Sie war schlau, dach­te ich er­bit­tert, sie hat­te
den Schau­platz ver­legt. Ich kämpf­te nicht mehr auf ih­rem Grun­de, son­dern auf
mei­nem, und das be­deu­te­te Ge­fahr. Ich hat­te das ein­mal von ei­nem Stier­kämp­fer
ge­lernt. »Ich wer­de mich da­mit ab­fin­den müs­sen«, sag­te ich und lach­te.
    Es ge­fiel ihr nicht, aber sie ant­wor­te­te
nicht dar­auf. »Es ist Herbst«, sag­te sie in dem schnel­len Wech­sel von
Stim­mun­gen, den ich an ihr kann­te, »und im Herbst soll­te man nicht mehr al­lein
sein. Es ist oh­ne­hin schwer ge­nug, ihn zu be­ste­hen.«
    »Du hast be­reits Win­ter, Na­ta­scha. Du bist
im­mer ei­ne Jah­res­zeit vor­aus, hast du mir er­klärt, die Win­ter­mo­de ist mit
Schnee­stür­men in vol­lem Gan­ge.«
    »Du weißt auf al­les ei­ne Ant­wort«, er­klär­te
sie feind­se­lig. »Im­mer weißt du einen Aus­weg.«
    »Für et­was weiß ich kei­nen Aus­weg«, sag­te
ich. »Für dich!«
    Ihr Ge­sicht ver­än­der­te sich. »Ich woll­te,
du wür­dest nicht lü­gen.«
    »Ich lü­ge nicht. Ich weiß wirk­lich kei­nen.
Warum soll­te ich auch?«
    »Du bist im­mer vol­ler Plä­ne. Du läßt dich
nicht über­ra­schen. Ich mich im­mer. Warum tust du es nicht?«
    »Es ist mir im­mer schlecht be­kom­men. Nur
bei dir nicht. Du bist ei­ne Über­ra­schung, die nie zur Ge­wohn­heit wird.«
    »Bleibst du heu­te nacht hier?«
    »Ich blei­be hier, bis ich im Sturm­schritt
zum Bahn­hof ren­nen muß.«
    »Das brauchst du nicht. Du kannst ein Ta­xi
neh­men.«
    Wir schlie­fen we­nig in die­ser Nacht. Wir
er­wach­ten und lieb­ten uns und schlie­fen ein, dicht an­ein­an­der­ge­preßt, und wach­ten
auf und spra­chen und lieb­ten uns wie­der oder fühl­ten nur un­se­re Wär­me und das
Ge­heim­nis der Haut, die ver­ei­nigt und doch auf im­mer trennt. Wir er­mat­te­ten im
Ver­such, sie zu be­sie­gen, wir stie­ßen Ru­fe aus, wie man sie Pfer­den zu­ruft, um
sie zu grö­ße­rer An­stren­gung an­zu­feu­ern, sinn­los, aus un­ter­be­wuß­ten Quel­len
plötz­lich auf­sprin­gend, wir haß­ten uns und lieb­ten uns, wir schri­en wie die
Fuhr­knech­te mit­ein­an­der, um tiefer in uns hin­ein­zu­drin­gen, um un­ser Ge­hirn
aus­zu­lee­ren von al­len künst­lich auf­ge­rich­te­ten Gren­zen, um nä­her her­an­zu­kom­men
an das Ge­heim­nis des Win­des, des Mee­res und der Tie­re, wir über­schüt­te­ten uns
mit dem Jar­gon der Hu­ren und den Zärt­lich­kei­ten der Lie­ben­den, wir er­mü­de­ten
und wur­den stil­ler, wir war­te­ten auf die tie­fe, brau­ne und gol­de­ne Stil­le der
letz­ten Ent­spannt­heit, wenn selbst Wor­te zu­viel der Mü­he

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