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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Er möch­te Sie
als Be­ra­ter ha­ben.«
    Ich lach­te. »Sie sind ver­rückt.
Tan­nen­baum.«
    »Er zahlt an­stän­dig. Und schließ­lich macht
er einen An­ti­na­zi­film. Dar­an ha­ben doch auch Sie In­ter­es­se.«
    Ich sah, daß ich mich Tan­nen­baum nur dann
halb­wegs ver­ständ­lich ma­chen konn­te, wenn ich ver­such­te, ihm et­was über mei­ne
Per­son zu er­klä­ren. Da­zu hat­te ich nicht die min­des­te Lust. Er hät­te es nicht
be­grif­fen. Er hat­te an­de­re Ide­en als ich. Er war­te­te dar­auf, daß Frie­den käme,
da­mit er wie­der fried­lich in Deutsch­land oder Ame­ri­ka le­ben kön­ne; ich war­te­te
dar­auf, daß Frie­den käme, um Ra­che zu neh­men. »Ich will mit Fil­men über Na­zis
nichts zu tun ha­ben«, sag­te ich grob. »Für mich sind das kei­ne Leu­te, über die
man Li­bret­ti schreibt. Für mich sind das Leu­te, die man um­bringt. Und nun las­sen
Sie mich in Ru­he. Ha­ben Sie Car­men schon ge­se­hen?«
    »Car­men? Sie mei­nen Kahns Freun­din?«
    »Ich mei­ne Car­men.«
    »Was geht mich Car­men an? Ich den­ke an
un­sern Film! Wol­len Sie Holt nicht we­nigs­tens ein­mal tref­fen?«
    »Nein«, sag­te ich.
    ***
    Abends er­hielt ich einen
Brief von Kahn. »Lie­ber Ro­bert«, schrieb er. »Das Un­er­freu­li­che zu­erst:
Grä­fen­heim lebt nicht mehr. Ei­ne sehr große Do­sis Schlaf­ta­blet­ten. Er hat­te
über die Schweiz er­fah­ren, daß sei­ne Frau in Ber­lin um­ge­kom­men ist.
Ame­ri­ka­ni­scher Flie­ger­an­griff. Es hat ihn um­ge­wor­fen. Daß es ein ame­ri­ka­ni­scher
Bom­ben­an­griff war, hat er nicht mehr als einen zwangs­läu­fi­gen Zu­fall auf­fas­sen
kön­nen, son­dern nur noch als töd­li­che Iro­nie. Er hat sei­nem Le­ben be­schei­den
und schweig­sam ein En­de ge­macht. Sie er­in­nern sich viel­leicht an un­ser letz­tes
Ge­spräch über den frei­wil­li­gen Tod. Grä­fen­heim ver­trat den Stand­punkt, daß kein
Tier den Selbst­mord ken­ne, weil es zur to­ta­len Ver­zweif­lung nicht fä­hig sei. Er
war auch der Mei­nung, die Mög­lich­keit des frei­wil­li­gen To­des sei ei­nes der
größ­ten Ge­schen­ke, weil er die Höl­le, die­ses christ­li­che Fol­ter­werk­zeug des
Geis­tes, be­en­den kön­ne. Er hat es ge­tan. Es ist nichts mehr da­zu zu sa­gen. Er
hat es hin­ter sich. Wir le­ben noch, wir ha­ben es noch vor uns, ganz gleich, ob
wir es Al­tern, Ster­ben oder Selbst­mord nen­nen.
    Von Car­men hö­re ich nichts. Sie ist zu faul
zum Schrei­ben. Ich schi­cke Ih­nen hier­mit ih­re Adres­se. Er­klä­ren Sie ihr, daß es
am bes­ten sei, zu­rück­zu­kom­men.
    Adieu, Ro­bert. Kom­men Sie bald zu­rück.
Un­se­re schwie­ri­ge Zeit kommt erst! Dann, wenn wir ins Nichts star­ren und wenn
selbst die Il­lu­sio­nen der Ra­che zu­sam­men­fal­len. Be­rei­ten Sie sich lang­sam
dar­auf vor, da­mit der Schock nicht zu groß wird. Wir sind nicht mehr sehr
schock­fest. Be­son­ders nicht ge­gen Schocks, die aus ei­ner gänz­lich an­de­ren als
der er­war­te­ten Rich­tung kom­men. Nicht nur Glück ist ei­ne Sa­che von Gra­den, auch
Ster­ben. Manch­mal den­ke ich an Tan­nen­baum, den Grup­pen­füh­rer auf der Lein­wand.
Viel­leicht ist die­ser Esel der Wei­ses­te von uns al­len. Sa­lu­te, Ro­bert.«
    Ich fuhr zu der Adres­se, die Kahn mir
ge­ge­ben hat­te. Es war ein klei­ner, schä­bi­ger Bun­ga­low in West­wood. Vor der Tür
stan­den ein paar Oran­gen­bäu­me, hin­ter dem Haus in ei­nem Gar­ten ga­cker­ten
Hüh­ner. Car­men schlief in ei­nem Lie­ge­stuhl. Sie trug einen knap­pen Ba­de­an­zug,
und ich be­griff nicht, daß Kahn glaub­te, sie wür­de in Hol­ly­wood kei­nen Er­folg
ha­ben. Sie war das schöns­te Mäd­chen, das ich kann­te. Kei­ne fa­de Blon­di­ne,
son­dern ei­ne tra­gi­sche Er­schei­nung, bei der ei­nem das Herz beb­te.
    »Sieh da, Ro­bert«, sag­te sie, nach­dem ich
sie vor­sich­tig ge­weckt hat­te, oh­ne er­staunt zu sein. »Was ma­chen Sie
hier?« – »Bil­der ver­kau­fen. Und Sie?«
    »Ein Idi­ot hat mir einen Ver­trag ge­ge­ben.
Ich tue nichts. Sehr be­quem.«
    Ich schlug ihr vor, mit mir zu es­sen. Sie
hat­te kei­ne Lust; sie be­haup­te­te, ih­re Wir­tin ko­che gut. Ich be­trach­te­te
zwei­felnd die et­was schlam­pi­ge rot­haa­ri­ge

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