E.M. Remarque
einmal
zwölftausend Dollar im Backgammon verloren«, erklärte er. »War eine gute
Lehre.«
Silvers' Augen hatten bei den Worten
›Zwölftausend Dollar‹ ein ähnliches kurzes Leuchten bekommen wie die von Holt.
»Lassen Sie es sich auch eine Lehre sein, Ross«, sagte er. »Sie sind nun einmal
ein Gelehrter und kein Geschäftsmann. Ihr Reich sind die Museen!«
Ich zuckte einen Moment zusammen. »Mag
sein«, sagte ich dann und blickte in den Abend, in dessen weitem Blau sich die
letzten weißen Tennisspieler tummelten. Der Swimming-pool war leer, dafür
tranken Leute an kleinen runden Tischen Erfrischungsgetränke, und aus der Bar
nebenan kam gedämpfte Musik. Ich hatte plötzlich eine so zerstörerische
Sehnsucht nach Natascha, meiner Kindheit, nach längst vergessenen Jugendträumen
und nach meinem verlorenen Leben, daß ich glaubte, es nicht mehr ertragen zu
können. Verzweifelt erkannte ich, daß ich mich nie mehr befreien konnte und den
finstern Rest nach den finstern Gesetzen der Sinnlosigkeit weiter zerstören
mußte. Es gab keine Rettung, fühlte ich, und alles, was ich erhoffen konnte, war
diese Oase der Windstille, die sich mir geöffnet hatte, während draußen der
Bergrutsch der Katastrophen weiterging. Ich wollte sie schmerzlich genießen und
spüren, mit allen Sinnen, denn sie war ein kurzes Geschenk, und mit grausamer
Ironie würde sie zu Ende sein, wenn die Welt anfangen sollte, aufzuatmen und
sich zur Siegesfeier des Friedens zu rüsten. Dann würde mein eigener einsamer
Feldzug beginnen, der nur ins Verderben führen und dem ich nicht entgehen
konnte.
»Also gut, Herr Holt«, sagte Silvers und
steckte den zweiten Scheck achtlos ein. »Lassen Sie sich noch einmal
gratulieren! Sie haben einen hübschen Anfang zu einer feinen Sammlung gemacht.
Vier Zeichnungen von zwei großen Meistern! Gelegentlich zeige ich Ihnen einmal
einige Pastelle von Picasso. Jetzt habe ich keine Zeit mehr. Ich bin zum Essen
eingeladen. Es hat sich schon herumgesprochen, daß ich angekommen bin. Oder,
wenn wir hier nicht dazu kommen, dann vielleicht einmal in New York.«
Ich klatschte ihm lautlos Beifall, ohne
meine Hände zu rühren. Ich wußte, daß er keine Verabredung zum Essen hatte.
Aber ich wußte auch, daß Holt erwartete, Silvers würde jetzt versuchen, ihm ein
größeres Bild anzudrehen. Auch Silvers wußte das, und darum verzichtete er
darauf. Das wiederum überzeugte Holt davon, ein gutes Geschäft gemacht zu
haben. Er war, nach Silvers' Ausdruck, jetzt reif.
»Kopf hoch, Robert«, tröstete mich Joe.
»Ich hole die Bilder morgen abend ab.«
»Gut, Joe.«
XXV.
E ine Woche später kam
Tannenbaum zu mir. »Wir kontrollierten den Berater, den wir für unseren Film
engagiert haben, Robert. Er ist nicht glaubwürdig. Er weiß einiges, aber Holt
traut ihm nicht mehr. Er traut auch dem Verfasser des Drehbuches nicht mehr;
der Mann war nie in Deutschland. Eine schöne Scheiße. Und das alles Ihretwegen«,
jammerte Tannenbaum erbittert. »Sie sind es doch, der das alles angerichtet
hat! Sie mit Ihrer Bemerkung über die Mütze des Scharführers. Ohne Sie hätte
Holt kein Mißtrauen gefaßt!«
»Gut. Vergessen Sie, was ich gesagt habe.«
»Wie kann ich das? Unser Berater ist
rausgeschmissen worden.«
»Engagieren Sie einen anderen.«
»Deshalb bin ich ja hier! Holt schickt
mich. Er will mit Ihnen sprechen.«
»Unsinn. Ich bin kein Berater für
Antinazifilme.«
»Sie sind es! Wer denn sonst? Wer ist sonst
hier, der ein Konzentrationslager kennt?«
Ich blickte auf. »Was soll das heißen?«
»Nicht mehr, als was jeder weiß. Jeder in
New York, meine ich. Jeder in unseren Kreisen, heißt das. Ihre Bekannten, um
exakt zu sein.«
»Und?«
»Robert, Holt braucht Hilfe.
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