E.M. Remarque
Coca-Cola trank.
Das rote Licht über Studio 5 erlosch, und
wir traten ein. Im ersten Augenblick konnte ich nach der Helligkeit draußen
nichts erkennen. Dann erstarrte ich. Etwa zwanzig SS-Leute kamen auf mich zu.
Ohne nachzudenken machte ich kehrt, um zu fliehen und stieß gegen Tannenbaum,
der hinter mir herkam. »Film«, sagte Tannenbaum. »Ziemlich echt, wie?«
»Was?« – »Gut gemacht, meine ich.«
»Ja«, erwiderte ich mühsam und wußte einen
Moment lang nicht, ob ich ihm ins Gesicht schlagen sollte oder nicht. Über die
Köpfe der SS-Leute hinweg sah ich im Hintergrund einen Wachtturm und daneben
einen Stacheldrahtzaun. Ich merkte, daß ich hoch und pfeifend atmete.
»Was ist los?« fragte Tannenbaum. »Hat es
Sie erschreckt? Aber Sie wußten doch, daß ich in einem Antinazifilm auftrete.«
Ich nickte und versuchte mich zu beruhigen.
»Ich hatte es vergessen«, sagte ich. »Nach gestern abend. Mein Kopf ist noch
nicht ganz klar. Da kann so was passieren.«
»Natürlich, natürlich! Ich hätte Sie
erinnern sollen.«
»Wozu?« sagte ich, immer noch stockend.
»Wir sind ja in Kalifornien. Es war nur der erste Augenblick.«
»Klar, klar. Würde mir auch so gehen. Ist
mir das erstemal sogar auch passiert. Inzwischen habe ich mich natürlich daran
gewöhnt.«
»Was?«
»Man gewöhnt sich daran, meine ich«, sagte
Tannenbaum.
»Wirklich?« fragte ich.
»O ja!«
Ich drehte mich wieder um und betrachtete
die verhaßten Uniformen. Ich merkte, daß ich mich fast erbrechen mußte. Eine
sinnlose Wut erfüllte mich, die ins Leere ging. Da war nichts, um sie irgendwie
auszulassen. Diese SS-Männer sprachen englisch, merkte ich jetzt. Trotzdem
blieb der Schock. Die Wut zerplatzte, die hochgeschossene Angst zerflatterte, aber
sie verließen mich, als hätte ich einen schweren Krampf überstanden. Alle meine
Muskeln schmerzten noch.
»Da ist Holt«, rief Tannenbaum.
»Ja«, sagte ich und starrte auf den
Drahtzaun des Konzentrationslagers.
»Hallo, Robert.« Holt trug eine Jägermütze
und Gamaschen. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er ein Hakenkreuz auf der
Brust getragen hätte. Oder einen gelben Davidstern.
»Ich wußte nicht, daß Sie schon angefangen
haben zu drehen«, sagte Tannenbaum.
»Nur zwei Stunden, seit heute Mittag. Wir sind
jetzt fertig. Wie wäre es mit einem Scotch, Robert?«
Ich hob die Hand. »Noch nicht, nach
gestern.«
»Gerade deshalb. Man muß den Teufel mit
Beelzebub erschlagen, das ist das beste.«
»Wirklich?« fragte ich wie abwesend.
»Ein altes Rezept!« Holt schlug mir auf die
Schulter.
»Vielleicht«, sagte ich. »Gut sogar!«
»So ist es recht.«
Wir gingen hinaus, an ein paar schwatzenden
SS-Leuten vorbei. Kostümierte Schauspieler, dachte ich und begriff es immer
noch nicht ganz. Ich gab mir einen Ruck. »Der Mann dort trägt eine falsche
Mütze«, sagte ich und zeigte auf einen Scharführer.
»Wirklich?« fragte Holt erregt. »Sind Sie
sicher?«
»Ja, ich bin sicher. Leider.«
»Das müssen wir sofort kontrollieren«,
sagte Holt zu einem jungen Mann mit grünen Brillengläsern. »Wo ist der
Kostümberater?«
»Ich werde ihn suchen.«
Kostümberater, dachte ich. Drüben morden
sie noch, hier sind sie bereits Komparsen geworden. Aber war es nicht immer, in
all den elf, zwölf blutigen Jahren, ein Aufstand der Komparsen gewesen, die
sich endlich einmal als Helden gebärden wollten und nichts weiter wurden als
eine Bande vulgärer Schlächter? »Wen haben Sie als Berater?« fragte ich. »Einen
echten Nazi?«
»Das weiß ich nicht genau«, erwiderte Holt.
»Auf jeden Fall ist er ein Fachmann. Verdammt, wenn wir wegen einer lausigen
Mütze die ganze Szene noch einmal drehen müssen!«
Wir gingen in die Kantine. Holt bestellte
Whisky und Soda. Ich wunderte mich nicht
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