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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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der für sie mit­ver­ant­wort­lich war, Reichs­prä­si­dent.«
    »Hit­ler ist tot«, er­klär­te Vries­län­der mit
ju­gend­li­chem Schwung. »Die Al­li­ier­ten wer­den die an­dern auf­hän­gen oder
ein­sper­ren. Jetzt muß man mit der Zeit ge­hen.« Er zwin­ker­te mir zu. »Des­halb
sind Sie doch auch zu mir ge­kom­men, wie?«
    »Ja.« – »Ich ha­be nicht ver­ges­sen, was
ich Ih­nen an­ge­bo­ten ha­be.«
    »Es mag ei­ni­ge Zeit dau­ern, bis ich es
zu­rück­ge­ben kann«, sag­te ich und spür­te, wie sich ei­ne schwa­che Hoff­nung in mir
er­hob. Wenn Vries­län­der jetzt ab­lehn­te, muß­te ich war­ten, bis ich ge­nug Geld
hat­te, um die Über­fahrt zu be­zah­len. Es war ei­ne Gal­gen­frist, die ich dann noch
hat­te; ei­ne Frist in ei­nem Lan­de, das jetzt, wo ich es ver­las­sen woll­te, wie­der
den Schim­mer ei­nes frem­den Pa­ra­die­ses hat­te.
    »Ich hal­te, was ich ver­spre­che«, sag­te
Vries­län­der. »Wie wol­len Sie das Geld ha­ben? Bar oder in ei­nem Scheck?«
    »Bar«, sag­te ich.
    »Das dach­te ich mir. So­viel ha­be ich nicht
hier. Kom­men Sie mor­gen wie­der und ho­len Sie es ab. Und mit dem Zu­rück­zah­len
hat es Zeit. Sie wol­len es in­ves­tie­ren, wie?«
    »Ja«, sag­te ich nach ei­nem Au­gen­blick des
Zö­gerns.
    »Gut. Sa­gen wir, Sie zah­len mir sechs
Pro­zent Zin­sen. Sie wer­den hun­dert da­mit ver­die­nen. Das ist fair, wie?«
    »Sehr fair.«
    Fair – das war ei­nes sei­ner
Lieb­lings­wor­te, ob­wohl er es wirk­lich war. Sonst sind Lieb­lings­wör­ter meis­tens
Ge­wohn­heits­ver­ste­cke. Ich stand auf, halb er­leich­tert und halb hoff­nungs­los.
»Vie­len Dank, Herr Vries­län­der.«
    Ich blick­te ihn ei­ne Se­kun­de mit fres­sen­dem
Neid an. Da stand er, blü­hend, von Fa­mi­lie und ge­sun­dem Ge­schäft um­rankt, ein
Pfei­ler in ei­ner kla­ren Welt. Dann er­in­ner­te ich mich dar­an, daß Lis­sy mir
er­zählt hat­te, er sei im­po­tent. Ich be­schloß, es für einen Mo­ment zu glau­ben, um
mei­nen Neid zu über­win­den. »Sie blei­ben doch si­cher in Ame­ri­ka?« frag­te ich. Er
nick­te. »Für mein Ge­schäft ist das Te­le­fon er­fun­den wor­den. Und das Te­le­gramm.
Und Sie?«
    »Ich fah­re hin­über, so­bald es Schif­fe da­für
gibt.«
    »Das wird al­les jetzt rasch in Ord­nung
kom­men. Der Krieg in Ja­pan kann nicht mehr lan­ge dau­ern. Wir räu­men nur noch
auf. Der Ver­kehr in Eu­ro­pa wird nicht dar­un­ter lei­den. Sind Ih­re Pa­pie­re jetzt
in Ord­nung?«
    »Ich ha­be noch ei­ne Auf­ent­halts­er­laub­nis
für ein paar Mo­na­te.«
    »Da­mit kön­nen Sie si­cher rei­sen. Auch in
Eu­ro­pa, neh­me ich an.« Ich wuß­te, daß es nicht so ein­fach war. Aber Vries­län­der
war ein Mann der großen Li­ni­en. De­tails wa­ren nicht sei­ne Sa­che. »Mel­den Sie
sich noch ein­mal, be­vor Sie ab­fah­ren«, sag­te er, als sei be­reits tiefs­ter
Frie­den.
    »Be­stimmt! Und vie­len Dank!«

XXXIV.
    E s war nicht so ein­fach, wie
Vries­län­der es sich ge­dacht hat­te. Es dau­er­te noch mehr als zwei Mo­na­te, ehe es
so­weit war, und es war schwie­rig. Trotz­dem aber war es die leich­tes­te Zeit für
mich seit vie­len Jah­ren. Al­les, was mich ge­quält hat­te, war noch da, und es
ver­viel­fäl­tig­te sich so­gar; aber es wur­de er­träg­lich, weil ich jetzt ein Ziel
hat­te und ihm nicht mehr hilf­los ge­gen­über­stand. Ich hat­te einen Ent­schluß
ge­faßt, und es wur­de mir täg­lich kla­rer, daß es kei­nen an­de­ren für mich gab.
Ich ver­such­te auch nicht, dar­über hin­aus­zu­den­ken. Ich muß­te zu­rück, al­les
an­de­re wür­de sich drü­ben er­ge­ben. Mei­ne Träu­me ver­lie­ßen mich nicht. Sie ka­men
so­gar öf­ter als sonst, und sie wa­ren fast noch in­ten­si­ver. Ich sah mich in
Brüs­sel in einen Schacht krie­chen, der im­mer en­ger wur­de, bis ich mit ei­nem
Schrei er­wach­te. Ich sah das Ge­sicht des Man­nes vor mir, der mich ver­steckt
hat­te und da­für weg­ge­schleppt wor­den war. Jah­re hin­durch war es in mei­nen
Träu­men un­deut­lich und ver­hängt wie von Schlei­ern ge­we­sen, als hät­te ei­ne
schwe­re Angst, daß es un­er­träg­lich sein wür­de, es vor mir ver­steckt. Jetzt sah
ich es plötz­lich deut­lich, die mü­den Au­gen,

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