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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Plüsch­bu­de kam. »Und im­mer un­ter Pal­men.«
    »In je­dem Ho­tel wird viel ge­weint«,
er­klär­te Me­li­kow.
    »Im Ritz auch?«
    »Im Ritz wird ge­weint, wenn die Bör­se
fällt. Bei uns, wenn der Mensch sich un­ver­se­hens be­wußt wird, daß er
hoff­nungs­los al­lein ist, ob­wohl er es nicht glaub­te.«
    »Ist Ki­ki un­ter ein Au­to ge­kom­men?«
    »Schlim­mer. Er hat sich ver­lobt. Mit ei­ner
Frau. Das ist die Tra­gik für Raoul. Wä­re er mit ei­nem an­de­ren Ho­mo
durch­ge­gan­gen, so wä­re es in der Fa­mi­lie ge­blie­ben. Aber ei­ne Frau! Das ist das
ewi­ge feind­li­che La­ger. Ver­rä­te­rei. Die Sün­de wi­der den hei­li­gen Geist.
Schlim­mer als tot.«
    »Die ar­men Schwu­len! Sie müs­sen sich nach
zwei Sei­ten ver­tei­di­gen. Ge­gen Män­ner- und Frau­en­kon­kur­renz.«
    Me­li­kow schmun­zel­te. »Raoul hat vor­hin ei­ne
Rei­he von be­mer­kens­wer­ten Aus­sprü­chen dar­über ge­macht, wie ihm Frau­en
vor­kom­men. Die ein­fachs­te dar­un­ter war: wie See­hun­de oh­ne Haut. Auch über die
in Ame­ri­ka so an­ge­be­te­te Zier der Da­men, die vol­le Brust, hat er sich rü­de
ge­äu­ßert. ›Schlap­pen­de Ku­heu­ter ent­ar­te­ter Säu­ger‹ war das mil­des­te. Je­des Mal,
wenn er sich vor­stellt, daß Ki­ki an ei­ner da­von hängt, brüllt Raoul auf. Gut,
daß du ge­kom­men bist. Wir müs­sen ihn auf sein Zim­mer schaf­fen. Hier un­ten kann
er nicht blei­ben. Hilf mir. Der Kerl wiegt zwei­hun­dert Pfund.«
    Wir nä­her­ten uns der Pal­men­e­cke. »Er kommt
wie­der, Raoul«, flüs­ter­te Me­li­kow. »Je­der Mensch kann ein­mal ir­ren. Ki­ki kommt
wie­der. Fas­sen Sie sich.«
    Wir ver­such­ten ihn hoch­zu­he­ben. Er stemm­te
sich ge­gen den Mar­mor­tisch und flenn­te. Me­li­kow re­de­te wei­ter be­schwö­rend auf
ihn ein. »Sie müs­sen schla­fen, da­nach ist al­les bes­ser. Er kommt wie­der, Raoul.
Ich ha­be so et­was öf­ter ge­se­hen. Er kommt zu­rück.«
    »Be­fleckt!« knirsch­te Raoul.
    Wäh­rend wir ihn wie­der em­por­ho­ben, trat er
mir auf den Fuß. Zwei­hun­dert Pfund. »Pas­sen Sie auf, Sie ver­damm­tes al­tes
Weib!« fluch­te ich.
    »Was?«
    »Ja, Sie be­neh­men sich wie ei­ne rühr­se­li­ge
Kaf­fee­schwes­ter!«
    »Ich ein al­tes Weib?« sag­te Raoul,
plötz­lich ei­ni­ger­ma­ßen nor­mal.
    »Herr Ross meint das nicht so«,
be­schwich­tig­te Me­li­kow.
    »Doch, ich mei­ne es so!«
    Raoul fuhr sich über die Au­gen. Wir
blick­ten ihn an und er­war­te­ten einen hys­te­ri­schen Auf­schrei. »Ich ein Weib!«
sag­te er statt des­sen lei­se und töd­lich be­lei­digt. »Ich ein Weib!«
    »Das hat er nicht ge­sagt«, log Me­li­kow. »Er
hat ge­sagt: wie ein Weib.«
    »So wird man ver­las­sen«, er­klär­te Raoul und
er­hob sich oh­ne un­se­re Hil­fe.
    Wir brach­ten ihn mü­he­los zur Trep­pe. »Ein
paar Stun­den Schlaf«, sag­te Me­li­kow be­schwö­rend. »Ein oder zwei Se­co­nals und
ein er­fri­schen­der Schlaf. Da­nach ei­ne gu­te Tas­se Kaf­fee. Dann sieht al­les schon
viel ein­fa­cher aus!«
    Raoul ant­wor­te­te nicht. Auch wir hat­ten ihn
ver­las­sen. Die gan­ze Welt. »Warum ge­ben Sie sich mit dem fet­ten Mond­kalb sol­che
Mü­he?« frag­te ich.
    »Er ist un­ser bes­ter Mie­ter. Hat zwei
Zim­mer und ein Bad.«

VI.
    I ch wan­der­te ziel­los
durch die Stra­ßen und fürch­te­te mich da­vor, ins Ho­tel zu­rück­zu­keh­ren. Ich hat­te
nachts ge­träumt und war mit ei­nem Schrei er­wacht. Ich hat­te schon vor­her ab und
zu ein­mal ge­träumt, von der Po­li­zei ver­folgt zu wer­den, oder ich hat­te den
al­ten Traum al­ler Emi­gran­ten: über die deut­sche Gren­ze ge­ra­ten zu sein und von
der SS ent­deckt zu wer­den. Aber das wa­ren Träu­me der Ver­zweif­lung über die
ei­ge­ne Dumm­heit, hin­ein­ge­ra­ten zu sein. Auch aus ih­nen er­wach­te man manch­mal
schrei­end, doch dann ent­deck­te man, daß man in New York war, blick­te aus dem
Fens­ter in den röt­li­chen Nacht­him­mel der Stra­ße und streck­te sich vor­sich­tig
wie­der aus: man war ge­ret­tet. Die­ser Traum war an­ders ge­we­sen, un­be­stimm­ter,
aus Stücken zu­sam­men­ge­flos­sen, zäh, dun­kel, pechar­tig und oh­ne En­de. Ei­ne Frau
hat­te es in ihm ge­ge­ben, ver­stört

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