E.M. Remarque
da, schmal und fest in
einen schwarzen, glänzenden Mantel gewickelt, eine Art Baskenmütze aus
demselben dünnen, glänzenden Fell auf dem Kopf.
»Perfekt!« rief Nicky. »Halte es so wie
jetzt!«
Er scheuchte die Direktrice weg, die ändern
wollte. »Später. Wir machen noch mehr Aufnahmen. Diese zunächst mal ohne Pose.«
Die Seitenscheinwerfer suchten das kleine
Gesicht. Die Augen wirkten hellblau und glänzten wie Sterne in dem starken
Licht von allen Seiten. »Jetzt«, sagte Nicky.
Natascha Petrowna erstarrte nicht wie die
beiden anderen Mannequins. Sie blieb einfach stehen, als hätte sie sich schon
vorher nicht bewegt. »Gut«, erklärte Nicky. »Und jetzt den Mantel offen!« Sie
hob ihn an, als wären es zwei Schmetterlingsflügel. Der Mantel, der vorher so
schmal ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit sehr weit, innen weiß gefüttert
mit einem Muster aus sehr großen, grauen Karrees. »Halte ihn so«, rief Nicky.
»Wie ein Nachtpfauenauge, weit gespreizt. So ist es richtig!«
»Wie gefällt es Ihnen hier?« fragte jemand
neben mir.
Es war ein bleicher, schwarzhaariger Mann
mit sonderbar glänzenden Kirschenaugen.
»Großartig«, erwiderte ich aufrichtig.
»Wir haben natürlich nicht mehr die Sachen
von Balenciaga und den großen französischen Couturiers zur Verfügung. Das ist
leider eine Folge des Krieges«, sagte der Mann mit einem leisen Seufzer. »Aber
Mainbocher und Valentina können sich auch sehen lassen, wie?«
»Absolut«, sagte ich, ohne zu wissen, wovon
er redete.
»Na, hoffentlich ist das alles bald vorbei,
damit wir wieder erstklassige Stoffe kriegen. Diese Seiden aus Lyon ...«
Der Mann erhob sich, es wurde nach ihm
gerufen. Ich fand es gar nicht so lächerlich, daß das auch ein Grund war, den
Krieg zum Teufel zu wünschen, im Gegenteil: Während ich so dasaß, fand ich, es
sei einer der vernünftigsten.
Die Abendkleider wurden photographiert.
Plötzlich stand Natascha Petrowna vor mir. Sie trug ein weißes, langes und sehr
enges Kleid, das die Schultern freiließ. »Langweilen Sie sich sehr?« fragte
sie.
»Nein, im Gegenteil«, sagte ich etwas
verwirrt und starrte sie an. »Es geht sogar so weit, daß ich an freundlichen
Halluzinationen zu leiden beginne. Ich glaube, das Diadem, das Sie tragen,
heute nachmittag im Schaufenster von van Cleef und Arpels gesehen zu haben. Das
ist doch unmöglich.«
Natascha lachte. »Sie haben gute Augen.«
»Ist es wirklich dasselbe?«
»Ja. Die Zeitschrift, für die wir Aufnahmen
machen, hat es ausgeliehen. Dachten Sie, ich hätte es gekauft?«
»Weiß der Himmel! Heute nacht scheint mir
alles möglich zu sein. Ich habe noch nie so viele Kleider und Pelze zusammen
gesehen.«
»Was hat Ihnen am besten gefallen?«
»Vieles. Vielleicht das weite, lange,
schwarze Samtcape, das Sie trugen. Es könnte von Balenciaga sein!«
Sie drehte sich um und sah mich scharf an.
»Es ist von Balenciaga. Sind Sie ein Spion?«
»Ein Spion? Dafür hat man mich noch nie
gehalten. Für welches Land?«
»Für die Konkurrenz. Ein anderes Haus. Sind
Sie aus der Branche? Wie können Sie sonst wissen, daß das Cape von Balenciaga
ist?«
»Natascha Petrowna«, sagte ich feierlich.
»Ich schwöre, daß mir vor zehn Minuten der Name Balenciaga noch völlig
unbekannt war. Ich hätte geglaubt, es sei eine Automarke. Der bleiche Herr dort
drüben hat ihn mir zum ersten Mal genannt. Allerdings hat er gesagt, Kleider
von Balenciaga kämen nicht mehr herüber. Da habe ich einen Scherz gemacht.«
»Und haben getroffen! Das Cape ist wirklich
von Balenciaga. Herübergebracht in einem Bomber. Einer Fliegenden Festung.
Hereingeschmuggelt.«
»Eine herrliche Verwendung für Bomber. Wenn
das üblich wird, ist das goldene Zeitalter
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