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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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sa­ßen, sie hock­ten zu­sam­men und schwitz­ten
den kal­ten Schweiß der To­des­angst. Sie wur­den in die­sen Stun­den zu ei­ner
son­der­ba­ren Brü­der­schaft. Sie flüs­ter­ten mit­ein­an­der und hör­ten doch nichts.
Sie horch­ten nach drau­ßen – nur nach drau­ßen, von wo die Schrit­te ka­men.
Sie wa­ren ei­ne Brü­der­schaft, die sich mit dem we­ni­gen Rat zu hel­fen vor­gab, den
sie hat­te, und die sich doch in ei­ner schau­er­li­chen Zu­nei­gung und Ab­nei­gung
fast haß­te, als wä­re nur ein be­stimm­tes Quan­tum an Aus­fluchts­mög­lich­kei­ten vor­han­den
für sie al­le und als ob je­der mehr die Chan­cen des ein­zel­nen ver­rin­ger­te. Der
Stolz der deut­schen Na­ti­on schlepp­te manch­mal einen hin­aus, mit Fuß­trit­ten,
Schlä­gen und den Be­schimp­fun­gen, die zwan­zig­jäh­ri­ge Re­cken für nö­tig hiel­ten,
um einen herz­kran­ken al­ten Mann vor­wärts­zu­trei­ben. Dann sprach nie­mand in der
Zel­le mehr.
    Wenn dann, oft nach Stun­den, ein blu­ti­ger
Hau­fen Fleisch in die Zel­le ge­wor­fen wur­de, mach­te man sich schwei­gend an die
Ar­beit. Grä­fen­heim hat­te das so oft mit­ge­macht, daß er schon, wenn er wie­der
ein­mal ab­ge­holt wur­de, sei­ne wei­nen­de Frau in­stru­iert hat­te, ein paar
Ta­schen­tü­cher in sei­nen An­zug zu ste­cken; er konn­te sie zum Ver­bin­den brau­chen.
Bin­den trau­te er sich nicht mit­zu­neh­men. Denn selbst das Ver­bin­den in der Zel­le
war ei­ne Hand­lung, die großen Mut er­for­der­te. Es war vor­ge­kom­men, daß Leu­te,
die es ta­ten, we­gen Ob­struk­ti­on tot­ge­schla­gen wur­den. Grä­fen­heim er­in­ner­te sich
an die Op­fer, wenn sie zu­rück­ge­schleppt wur­den. Sie konn­ten sich kaum be­we­gen,
aber man­che flüs­ter­ten mit ih­ren vom Schrei­en hei­se­ren Stim­men und den Au­gen,
in die sich die letz­te Mög­lich­keit von Aus­druck ge­flüch­tet hat­te, so daß sie
heiß und glän­zend aus dem zer­schun­de­nen Ge­sicht starr­ten – »Glück ge­habt,
sie ha­ben mich nicht be­hal­ten!« Da­be­hal­ten hieß, im Kel­ler lang­sam zu To­de
ge­tram­pelt zu wer­den oder im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ka­putt­ge­schun­den und dann in
den elek­tri­schen Draht ge­jagt zu wer­den.
    Grä­fen­heim war ein­mal wie­der
zu­rück­ge­kom­men. Sei­ne Pra­xis hat­te er längst an einen an­de­ren Arzt ab­ge­ben müs­sen.
Sein Nach­fol­ger hat­te ihm drei­ßig­tau­send Mark da­für ge­bo­ten und dann tau­send
be­zahlt – sie war drei­hun­dert­tau­send wert. Ein Un­ter­sturm­füh­rer aus der
Ver­wandt­schaft des Nach­fol­gers war ei­nes Ta­ges er­schie­nen und hat­te Grä­fen­heim
vor die Wahl ge­stellt, ins La­ger ge­steckt zu wer­den, weil er un­er­laubt
prak­ti­ziert hat­te, oder die tau­send Mark zu neh­men und ei­ne Quit­tung über
drei­ßig­tau­send Mark aus­zu­stel­len. Grä­fen­heim wuß­te, was er zu tun hat­te.
Schließ­lich war die Frau reif für die Ir­ren­an­stalt. Aber sie woll­te sich im­mer
noch nicht schei­den las­sen. Sie glaub­te, daß nur sie Grä­fen­heim noch da­vor
schütz­te, in ein La­ger ge­bracht zu wer­den. Sie woll­te sich nur schei­den las­sen,
wenn Grä­fen­heim das Land ver­las­sen konn­te. Sie woll­te ihn in Si­cher­heit wis­sen.
Nun hat­te Grä­fen­heim et­was Glück. Der Un­ter­sturm­füh­rer, der in­zwi­schen
Ober­sturm­füh­rer ge­wor­den war, such­te ihn ei­nes Nachts auf. Er war in Zi­vil und
kam nach ei­ni­gem Zö­gern da­mit her­aus, daß Grä­fen­heim bei sei­ner Freun­din ei­ne
Ab­trei­bung vor­neh­men sol­le. Er war ver­hei­ra­tet, und sei­ne Frau hielt nicht viel
von den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ide­en, es sei not­wen­dig, mög­lichst vie­le Kin­der
zu ha­ben, auch wenn sie von zwei oder drei erb­tüch­ti­gen Blut­li­ni­en ka­men. Sie
hielt ih­re ei­ge­ne Blut­li­nie für aus­rei­chend. Grä­fen­heim wei­ger­te sich. Er
ver­mu­te­te ei­ne Fal­le. Zur Vor­sicht er­klär­te er, daß sein Nach­fol­ger dort auch
Arzt sei, der Ober­sturm­füh­rer mö­ge sich doch an ihn wen­den; er sei doch ein
Ver­wand­ter und ihm – Grä­fen­heim deu­te­te das be­hut­sam an – so­gar zu
großem Dank ver­pflich­tet. Der

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