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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Knö­chel sind die ei­ner Ga­zel­le. Die Knie die
der Dia­na. Der Kör­per nicht zu dünn. Sie hat vol­le fes­te Brüs­te. Ei­ne Haut oh­ne
Feh­ler. Die Fü­ße ein­wand­frei. Sie hat nicht ein­mal die An­deu­tung ei­nes
Hüh­nerau­ges.«
    Ich schoß ihm einen Blick zu. »Sie glau­ben
mir nicht?« sag­te er. »Ich weiß es ge­nau. Au­ßer­dem heißt sie Car­men. Sie ist
Gre­ta Gar­bo und Do­lo­res del Rio in ei­nem!«
    »Und ...« sag­te ich ge­spannt.
    Kahn reck­te sich. »Sie ist dumm«, er­wi­der­te
er. »Nicht ein­fach dumm, son­dern un­be­schreib­lich dumm. Das, was sie jetzt
ge­ra­de mit dem Ap­fel­ku­chen macht, ist bei ihr be­reits ei­ne her­vor­ra­gen­de
geis­ti­ge Leis­tung. Es er­schöpft sie be­reits. Sie müß­te da­nach ei­gent­lich
aus­ru­hen. Ein Schlum­mer­chen ma­chen.«
    »Scha­de«, sag­te ich oh­ne Über­zeu­gung.
    »Fas­zi­nie­rend!«
    »Wie­so kann so­viel Dumm­heit fas­zi­nie­rend
sein?«
    »Weil sie so un­er­war­tet ist.«
    »Ei­ne Sta­tue ist noch düm­mer.«
    »Ei­ne Sta­tue re­det nicht. Die­se re­det.«
    »Was re­det sie?«
    »Das tö­rich­tes­te Zeug, das Sie sich den­ken
kön­nen. Nicht wie ei­ne Klein­bür­ge­rin, auch nicht wie ei­ne Haus­frau. Per­fek­te
kuh­haf­te Dumm­heit. Ich ha­be sie ge­le­gent­lich in Frank­reich ge­se­hen. Ih­re
Dumm­heit war so sa­gen­haft, daß sie sie wie ein Zau­ber­man­tel schütz­te.
Ir­gend­wann ein­mal ge­riet sie in die Klem­me. Es war höchs­te Zeit für sie zu
ver­schwin­den. Ich woll­te sie mit­neh­men. Sie lehn­te ab. Sie woll­te erst ba­den
und sich an­zie­hen. Dann woll­te sie ih­re Klei­der mit­neh­men und wei­ger­te sich,
oh­ne Klei­der mit­zu­kom­men. Das al­les, wäh­rend die Ge­sta­po im An­marsch war. Ich
hät­te mich nicht ge­wun­dert, wenn sie noch zu ei­nem Fri­seur ge­wollt hät­te. Zum
Glück gab es kei­nen. Aber früh­stücken woll­te sie noch. Ich hät­te ihr am
liebs­ten die Bröt­chen um die herr­li­chen Oh­ren ge­schla­gen. Sie be­kam ihr
Früh­stück, doch ich zit­ter­te vor Ner­vo­si­tät. Die Bröt­chen und die Mar­me­la­de,
die sie nicht aufaß, woll­te sie mit­neh­men. Sie such­te so lan­ge nach ei­nem Stück
sau­be­ren Pa­piers, bis wir die Stie­fel der Ge­sta­po hör­ten. Dann stieg sie in
mei­nen Wa­gen, oh­ne Ei­le. An die­sem Mor­gen ha­be ich mich in sie ver­liebt.«
    »So­fort?«
    »Als wir in Si­cher­heit wa­ren. Sie merk­te
nichts da­von. Sie ist, fürch­te ich, so­gar zu dumm für die Lie­be.«
    »Ein großes Wort«, sag­te ich.
    »Ich hör­te manch­mal von ihr. Sie ist durch
al­le Ge­fah­ren hin­durch­ge­se­gelt wie ein schö­nes, fau­les Se­gel­schiff. Sie war in
un­glaub­li­chen Si­tua­tio­nen. Nichts ist ihr pas­siert. Ih­re un­be­schreib­li­che
Un­be­fan­gen­heit ent­waff­ne­te so­gar Mör­der. Ich glau­be, sie ist nicht ein­mal
ver­ge­wal­tigt wor­den. Sie kam na­tür­lich mit ei­nem der letz­ten Flug­zeu­ge hier an.
Als sie in Lissa­bon ein­stieg zu ei­nem Hau­fen zit­tern­der Flücht­lin­ge, mein­te sie
ge­las­sen: ›Wä­re es nicht ko­misch, wenn das Flug­zeug jetzt ins Meer ab­stür­zen
wür­de?‹ Nie­mand hat sie ge­lyncht. Car­men heißt sie auch noch. Nicht Ber­ta,
Ruth, Eli­sa­beth – nein, Car­men!«
    »Was macht sie jetzt?«
    »Mit dem Glück ei­ner hei­li­gen Kuh hat sie
so­fort ei­ne Stel­lung als Man­ne­quin bei Saks, Fifth Ave­nue, be­kom­men. Nicht
ge­fun­den, das wä­re zu an­stren­gend ge­we­sen. Prä­sen­tiert be­kom­men.«
    »Warum ist sie nicht beim Film?«
    »Selbst da­zu ist sie zu dumm.«
    »Das ist un­mög­lich!«
    »Sie ist nicht nur dumm, auch in­do­lent.
Kei­ne Am­bi­ti­on. Kei­ne Kom­ple­xe. Ei­ne wun­der­ba­re Frau!«
    Ich griff nach ei­nem Stück von der
Vries­län­der-Tor­te. Die War­wick­sche war in­zwi­schen auf ei­ner An­rich­te in
Si­cher­heit ge­bracht wor­den. Die Vries­län­der­sche war her­vor­ra­gend – bit­te­re
Scho­ko­la­de mit Man­deln be­steckt, mög­li­cher­wei­se auch ein Sym­bol. Ich konn­te
ver­ste­hen, daß Kahn von Car­men fas­zi­niert war. Sie hat­te das, was er durch
Kühn­heit und To­des­ver­ach­tung ge­schafft hat­te, von der Na­tur ge­schenkt be­kom­men.
Das muß­te ei­ne

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