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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Sche­ma: Pa­pri­ka im Blut.«
    »Ich fin­de das groß­ar­tig. Ich fin­de es auch
groß­ar­tig, daß je­der­mann hier noch ein­mal neu an­fan­gen und al­les wech­seln kann,
was er un­frei­wil­lig mit­be­kom­men hat: Ge­sicht, Bu­sen und Ex­per­ti­se, wie Sil­vers
das be­zeich­net. Und so­gar den Na­men. Es ist, als wä­ren Mas­ke­ra­de und
Jung­brun­nen ver­eint. Miß­brauch­tes steigt in die Flut und kommt so her­vor, wie
es sein soll. Ich bin für die Kol­lers, die War­wicks und das Aben­teu­er der
zwei­ten Wirk­lich­keit.«
    Vries­län­der kam her­an. »Nach­her gibt es noch
Gu­lasch. Ro­sy be­rei­tet es vor. So um elf. Tan­zen Sie nicht?«
    »Wir ha­ben mit dem Ma­gen Tan­go und den
Kai­ser­wal­zer ge­tanzt.«
    »War's gut?«
    »Herr­lich.«
    »Das freut mich.« Vries­län­der neig­te uns
sein feuch­tes ro­tes Ge­sicht zu. »Es ist schwer, sich zu freu­en, wis­sen Sie?«
    »Aber Herr Vries­län­der!«
    »Doch. Da ist im­mer so ein dunkles Ge­fühl,
das wird man nie los. Nie. Mei­nen Sie, das war rich­tig mit mei­nem Na­men, Herr
Kahn? Manch­mal ha­be ich auch da ein dunkles Ge­fühl.«
    »Aber das geht doch nur Sie al­lein an, Herr
Vries­län­der«, sag­te Kahn herz­lich. Er haß­te An­ga­be und wur­de iro­nisch, wenn er
nur einen Hauch da­von merk­te – aber er wur­de so­fort mensch­lich, wenn er
Angst und Un­si­cher­heit spür­te. »Und wenn er Ih­nen nicht paßt, dann las­sen Sie
ihn eben noch ein­mal än­dern.«
    »Kann man das?«
    »Es ist in die­sem ge­seg­ne­ten Lan­de leich­ter
als ir­gend­wo an­ders. Hier hat man fast so­viel Ge­fühl da­für wie in Ja­va. Wenn in
Ja­va ei­nem sei­ne ei­ge­ne Per­sön­lich­keit lang­wei­lig oder zu­wi­der wird, nimmt man
einen an­de­ren Na­men an. Je­der fin­det das rich­tig, und vie­le wie­der­ho­len das ein
paar Mal in ih­rem Le­ben. Warum soll man im­mer den al­ten Adam mit sich
rum­schlep­pen, wenn man ihm längst ent­wach­sen ist? Der Mensch soll sich oh­ne­hin
al­le sie­ben Jah­re er­neu­ern, sa­gen die Me­di­zi­ner.«
    Vries­län­der lä­chel­te be­ru­higt. »Sie sind
ein Schatz, Herr Kahn!« Er wa­ckel­te da­von.
    »Da tanzt Car­men«, sag­te Kahn.
    Ich blick­te zu ihr hin­über. Sie be­weg­te
sich kaum. Ge­las­sen und ein Sinn­bild al­ler Träu­me, lag sie in ko­mi­scher
Welt­schwer­mut in den Ar­men ei­nes lan­gen rot­haa­ri­gen Ser­gean­ten. Wäh­rend al­le
Au­gen rund­um jün­ger wur­den, dach­te sie, wenn ich Kahn glau­ben woll­te, über das
Re­zept des Ap­fel­ku­chens nach.
    »Ich be­te die­se Kuh an«, sag­te Kahn hei­ser.
    Ich ant­wor­te­te nicht. Ich sah Car­men und
Frau Vries­län­der und die Kol­ler-Zwil­lin­ge mit ih­ren neu­en Bu­sen und Herrn
Vries­län­der-War­wick, des­sen Ho­sen et­was zu kurz wa­ren, und ich fühl­te mich so
leicht wie seit lan­gem nicht mehr. Viel­leicht war die­ses wirk­lich das Ge­lob­te
Land, dach­te ich, viel­leicht hat Kahn recht und man konn­te hier wirk­lich sei­ne
Per­sön­lich­keit wech­seln und nicht nur sei­nen Na­men und sein Ge­sicht, viel­leicht
gab es das, ob­schon es un­mög­lich schi­en: nichts zu ver­ges­sen und doch al­les zu
er­neu­ern, es zu sub­li­mie­ren, bis es nicht mehr schmerz­te, es um­zu­schmel­zen,
oh­ne Ver­lust, oh­ne Ver­rat und oh­ne De­ser­ti­on.

XI.
    A m fol­gen­den Abend
fand ich einen Brief des An­walts vor: Mei­ne Auf­ent­halts­er­laub­nis war um sechs
Mo­na­te ver­län­gert wor­den. Es war ein Ge­fühl wie auf ei­ner Schau­kel, ein­mal war
man oben, dann wie­der un­ten. Man konn­te sich dar­an ge­wöh­nen. Der An­walt schrieb
mir, ich sol­le ihn am nächs­ten Vor­mit­tag an­ru­fen. Ich konn­te mir den­ken,
wes­halb.
    Als ich in das schä­bi­ge Ho­tel kam, saß
Na­ta­scha Pe­trow­na­da.
    »War­ten Sie auf Me­li­kow?« frag­te ich et­was
be­fan­gen.
    »Nein, ich war­te auf Sie.«
    Sie lach­te. »Wir ken­nen uns so we­nig und
ha­ben uns so vie­les zu ver­ge­ben, daß es ge­ra­de­zu span­nend ist. Wie ste­hen wir
zu­ein­an­der?«
    »Groß­ar­tig«, sag­te ich. »Zum min­des­ten
schei­nen wir uns nicht lang­wei­lig zu sein.« – »Ha­ben Sie schon ge­ges­sen?«
Ich zähl­te rasch in Ge­dan­ken mein Geld.
    »Nein, noch nicht. Wol­len wir zu

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