E.M. Remarque
Beerdigungsinstitut ausgesucht. Trotzdem kostet es, aufs
Billigste gebracht, einige hundert Dollar.«
»Wenn Moller die gehabt hätte, wäre er
vielleicht noch am Leben«, erklärte Lipschütz.
»Vielleicht.«
Ich sah, daß die Reihe der Photographien
von Betty gestört war. Möllers Bild hing nicht mehr unter den Lebenden. Es
hatte noch keinen schwarzen Rahmen wie die Toten auf der anderen Seite, es war
noch in seinem alten Goldrahmen, aber Betty hatte aus einem Stück schwarzen
Tülls eine Schleife darum geknüpft. Moller sah lächelnd und fünfzehn Jahre
jünger daraus hervor. Es war ein Jugendbild, und es war nichts dazu zu sagen,
auch nicht zu der Schleife. Trotzdem war mir einen Augenblick, als könne man
das nie verstehen.
Betty kam mit einem Tablett und
Kaffeetassen und schenkte aus einer geblümten Kanne ein. »Da ist auch Zucker
und Sahne«, sagte sie.
Alle tranken. Ich auch. »Die Trauerfeier
ist morgen«, sagte sie. »Kommen Sie auch?«
»Wenn ich kann. Ich habe schon heute ein
paar Stunden freinehmen müssen.«
»Alle seine Bekannten müssen kommen«,
erwiderte Betty, sofort wieder aufgeregt, schrill. »Morgen um halb eins. Es ist
extra so gelegt worden, daß alle kommen können.«
»Ich komme auch, selbstverständlich. Wo ist
es?«
Lipschütz nannte mir den Namen. »Ascher's
Funeral Home an der Vierzehnten Straße.«
»Wo wird er beerdigt?« fragte Rabinowitz.
»Er wird nicht beerdigt. Er wird verbrannt.
Das Krematorium ist billiger.«
»Was?«
»Er wird verbrannt.«
»Verbrannt«, wiederholte ich mechanisch.
»Ja. Das Funeral Home erledigt das.«
Betty kam nach vorn. »Da liegt er nun,
allein, unter wildfremden Menschen«, klagte sie. »Wenn er doch wenigstens bei
uns aufgebahrt worden wäre, unter Freunden, bis zur Beerdigung.« Sie wandte
sich an mich. »Was wollten Sie noch wissen? Wer das Geld für Sie vorgeschossen
hat? Vriesländer.«
»Vriesländer?«
»Ja, wer sonst. Aber Sie kommen morgen
bestimmt?«
»Bestimmt«, sagte ich. Es gab nichts
anderes zu sagen.
Rabinowitz brachte mich zur Tür. »Wir
müssen Betty hinhalten«, wisperte er. »Sie darf Moller nicht sehen. Nicht das,
was von ihm übrig geblieben ist. Da war doch eine Obduktion wegen des
Selbstmordes. Betty hat keine Ahnung davon. Und Sie wissen ja, daß sie gewohnt
ist, ihren Willen stürmisch durchzusetzen. Zum Glück hat sie den Kaffee
gebracht. Lipschütz hat in ihre Tasse eine Schlaftablette gegeben. Sie hat
nichts gemerkt, deshalb haben wir alle den Kaffee getrunken und gelobt. Betty
kann Lob nicht widerstehen; sonst hätte sie nichts getrunken. Wir haben es mit
Beruhigungspillen versucht. Sie will keine nehmen, sie glaubt, es wäre Betrug
an Moller. Genau wie das mit dem geschlossenen Fenster. Vielleicht können wir
trotzdem noch eine Tablette in ihr Essen schmuggeln. Morgen früh ist die schlimmste
Zeit, sie davon abzuhalten. Sie kommen auch?«
»Ja. Zum Funeral Home. Und Moller wird zum
Krematorium gebracht?«
Rabinowitz nickte. »Wo ist es?« fragte ich.
»Im Funeral Home?«
»Das glaube ich nicht. Warum?«
»Was redet ihr denn da so lange?« fragte Betty
vom Zimmer her.
»Sie ist mißtrauisch«, flüsterte
Rabinowitz. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Er ging über den halbdunklen Flur, an
dessen Wänden Photos vom Romanischen Cafe in Berlin hingen, zurück in das
dumpfe Zimmer.
XIII.
I ch schlief schlecht
in dieser Nacht und ging früh vom Hotel fort – zu früh für meinen Dienst
bei Silvers. Ich fuhr mit dem Fifth-Avenue-Omnibus bis zur Haltestelle an der
Kreuzung zur 83. Straße, um ins Metropolitan-Museum zu gehen. Es war noch nicht
offen. Ich ging durch den Central Park hinter dem Museum bis zum
Shakespeare-Denkmal. Ich ging weiter, den See entlang und kam zu einem
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