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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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wie
weit das Licht drau­ßen war? Sau­fen im Un­ter­see­boot war das ge­we­sen. Es war
ein­fach, den Kopf zu schüt­teln und zu fin­den, man sol­le ver­nünf­ti­ger sein. Aber
ver­dammt, es war nicht ein­fach! Ein Le­ben war ein Le­ben; es war nichts wert und
al­les; man konn­te es weg­wer­fen, das war auch ein­fach. Aber warf man da­mit nicht
auch die Ra­che weg, und warf man da­mit nicht auch das weg, was ver­höhnt,
be­spuckt und lä­cher­lich ge­macht, täg­lich und stünd­lich, un­ge­fähr so hieß wie
Glau­be an Mensch­lich­keit und Mensch­heit, trotz al­lem? Ein lee­res Le­ben – das
warf man nicht weg wie ei­ne lee­re Pa­tro­ne! Es war im­mer noch gut ge­nug, um zu
kämp­fen, wenn die Zeit da­für kam und wenn es ge­braucht wer­den konn­te. Nicht aus
per­sön­li­chen Grün­den, nicht ein­mal aus Ra­che, so blut­tief Ra­che auch war, noch
aus Ego­is­mus und auch nicht aus al­truis­ti­schen Grün­den, so wich­tig es auch sein
wür­de, die­se Welt um ei­ne Rad­dre­hung aus Blut und Schutt vor­wärts schie­ben zu
hel­fen – aus nichts an­derm zum Schluß, als daß man kämpf­te, ein­fach kämpf­te und
war­te­te auf sei­ne Chan­ce zum Kämp­fen, so­lan­ge man noch at­me­te. Aber das War­ten
fraß, und viel­leicht war es hoff­nungs­los, und da­zu kam noch die ge­hei­me Furcht,
daß man, wenn es end­lich so­weit war, schon zu zer­mürbt sein konn­te, zu
zer­fres­sen, zu faul vom War­ten, zu mü­de in den Zel­len, um noch mit­mar­schie­ren
zu kön­nen! Zer­stampf­te man dar­um nicht al­les in Ver­ges­sen­heit, was an den
Ner­ven fres­sen konn­te, lösch­te man es nicht aus, wirk­sam und hart, mit
Sar­kas­mus und Iro­nie, so­gar mit Ge­gen­sen­ti­men­ta­li­tät, mit der Flucht in einen
an­dern Men­schen, in ein frem­des Ich? Bis dann doch wie­der ein­mal die bru­ta­le
Ohn­macht kam, wenn man dem Schlaf aus­ge­lie­fert war und den Ge­spens­tern. –
    Der Mond kroch feist un­ter das Fens­ter­kreuz. Es war kein
an­ge­na­gel­ter Hei­li­gen­schein mehr – er war ein fet­ter, ob­szö­ner Voy­eur, der in
Kam­mern und Bet­ten stier­te. Ra­vic war jetzt ganz wach. Es war noch ein ziem­lich
harm­lo­ser Traum ge­we­sen. Er kann­te and­re. Aber es war lan­ge her, daß er
über­haupt ge­träumt hat­te. Er dach­te nach – es war fast die gan­ze Zeit her, seit
er nicht mehr al­lein schlief.
    Er fühl­te ne­ben das Bett. Die Fla­sche stand nicht da. Sie
stand seit ei­ni­ger Zeit nicht mehr da. Sie stand auf dem Tisch in der Ecke des
Zim­mers. Er zö­ger­te einen Mo­ment. Es war nicht nö­tig zu trin­ken. Er stand auf
und ging auf nack­ten Fü­ßen zum Tisch. Er fand ein Glas, ent­kork­te die Fla­sche
und trank. Es war der Rest des al­ten Cal­va­dos. Er hielt das Glas ge­gen das
Fens­ter. Der Mond mach­te es zu ei­nem Opal. Schnaps soll­te nicht im Licht
ste­hen, dach­te er. We­der in der Son­ne noch im Mond. Ver­wun­de­te Sol­da­ten, die
ei­ne Nacht im Voll­mond drau­ßen ge­le­gen hat­ten, wa­ren schwä­cher als nach an­de­ren
Näch­ten. Er schüt­tel­te den Kopf und trank das Glas aus. Dann goß er sich ein
neu­es ein. Als er auf­blick­te, be­merk­te er, daß Jo­an die Au­gen ge­öff­net hat­te
und ihn an­sah. Er hielt in­ne. Er wuß­te nicht, ob sie wach war und ihn wirk­lich
sah.
    »Ra­vic«, sag­te sie.
    »Ja ...«
    Sie zuck­te, als er­wa­che sie jetzt erst. »Ra­vic«, sag­te
sie mit ei­ner an­de­ren Stim­me. »Ra­vic – was machst du da?«
    »Ich trin­ke et­was.«
    »Aber warum …« Sie rich­te­te sich auf. »Was ist los?«
frag­te sie ver­wirrt.
    »Was ist pas­siert?«
    »Nichts.«
    Sie strich sich die Haa­re zu­rück. »Mein Gott«, sag­te sie,
»ha­be ich mich er­schro­cken!«
    »Das woll­te ich nicht. Ich dach­te, du wür­dest
weiter­schla­fen.«
    »Du stan­dest plötz­lich so da – in der Ecke – ganz
an­ders.«
    »Das tut mir leid, Jo­an. Ich glaub­te nicht, daß du
auf­wa­chen wür­dest.«
    »Ich spür­te, daß du nicht mehr da warst. Es war kalt. Wie
ein Wind. Ein kal­tes Er­schre­cken. Und dann stan­dest du plötz­lich da. Ist et­was
pas­siert?«
    »Nein, nichts. Gar nichts, Jo­an. Ich bin auf­ge­wacht und
woll­te et­was trin­ken.«
    »Gib mir auch einen Schluck.«
    Ra­vic füll­te das Glas und ging zum Bett hin­über.

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