E.M. Remarque
fahre mit dir.«
»Was werden deine Idioten denken?«
»Nichts. Ich habe mich schon verabschiedet. Habe gesagt,
daß du auf mich wartest.«
»Nicht schlecht«,
sagte Ravic. »Du bist ein Kind mit Überlegung. Warte, bis ich das Verdeck
zugemacht habe.«
»Laß es offen. Mein Mantel ist warm genug. Und laß uns
langsam fahren. Vorbei an all den Cafés, in denen Leute sitzen, die nichts zu
tun haben, als glücklich zu sein und keine Argumente zu haben.«
Sie glitt in den Sitz neben ihn und küßte ihn. »Ich bin
zum erstenmal an der Riviera, Ravic«, sagte sie. »Habe Erbarmen! Ich bin zum
erstenmal mit dir wirklich zusammen, und die Nächte sind nicht mehr kalt, und
ich bin glücklich.«
Er fuhr den Wagen aus dem dichten Verkehr heraus, am
Carlton Hotel vorbei und in die Richtung nach Juan les Pins. »Zum ersten Male«,
wiederholte sie. »Zum ersten Male, Ravic. Und ich weiß alles, was du antworten
könntest, und es hat nichts damit zu tun.« Sie lehnte sich an ihn und legte den
Kopf an seine Schulter. »Vergiß, was heute war! Denk nicht einmal mehr darüber
nach! Du fährst wunderbar Auto, weißt du das? Was du da eben gemacht hast, war
großartig. Die Idioten haben es auch gesagt. Sie haben gestern gesehen, was du
mit dem Wagen anstellen kannst. Du bist unheimlich. Du hast keine
Vergangenheit. Man weiß nichts von dir. Ich weiß schon hundertmal mehr aus dem
Leben der Idioten als aus deinem. Glaubst du, daß ich irgendwo einen Calvados
bekommen kann? Nach all den Aufregungen heute nacht brauche ich einen. Es ist
schwer, mit dir zu leben.«
Der Wagen fuhr die Straße entlang wie ein niedrig
fliegender Vogel. »Ist das zu schnell?« fragte Ravic.
»Nein. Fahr schneller. So, daß es durch und durch geht
wie der Wind durch einen Baum. Wie die Nacht saust. Ich bin durchlöchert von
Liebe. Ich kann durch mich hindurchsehen vor Liebe. Ich liebe dich so, daß mein
Herz sich ausbreitet wie eine Frau in einem Kornfeld vor einem Mann, der sie
ansieht. Mein Herz will sich auf die Erde legen. Auf eine Wiese. Es will liegen
und fliegen. Es ist verrückt. Es liebt dich, wenn du Auto fährst. Laß uns nie
zurückgehen nach Paris. Laß uns einen Juwelenkoffer stehlen oder ein Bankdepot
und diesen Wagen und nie wiederkommen.«
Ravic hielt vor einer kleinen Bar. Das Grollen des Motors
schwieg, und weich und sehr weither kam plötzlich das tiefe Atemholen des
Meeres. »Komm«, sagte er. »Hier gibt es deinen Calvados. Wieviel hast du schon
gehabt?«
»Zuviel. Deinetwegen. Außerdem konnte ich auf einmal das
Gerede der Idioten nicht mehr anhören.«
»Warum bist du dann nicht zu mir gekommen?«
»Ich bin zu dir gekommen.«
»Ja, als du dachtest, ich ginge fort. Hast du etwas zu
essen gehabt?«
»Nicht viel. Ich bin hungrig. Hast du gewonnen?«
»Ja.«
»Dann laß uns ins teuerste Restaurant fahren und Kaviar
essen und Champagner trinken und so sein wie unsere Eltern vor all diesen
Kriegen, sorglos und sentimental und ohne Angst, hemmungslos und voll
schlechten Geschmacks, mit Tränen, Mond, Oleander, Geigen, Meer und Liebe! Ich
will glauben, daß wir Kinder haben werden und einen Park und ein Haus und du
einen Paß und eine Zukunft, und ich habe eine große Karriere deinetwegen
aufgegeben, und wir lieben uns noch nach zwanzig Jahren und sind eifersüchtig,
und du findest immer noch, daß ich schön bin, und ich kann nicht schlafen, wenn
du eine Nacht nicht im Hause bist und ...«
Er sah die Tränen über ihr Gesicht strömen. Sie lächelte.
»Das gehört alles dazu, Liebster – alles zu dem schlechten Geschmack.«
»Komm«, sagte er. »Wir fahren zum Château Madrid. Das
liegt in den Bergen, und da sind russische Zigeuner, und du sollst alles haben,
was du willst.«
Es war früher Morgen. Das Meer tief unten war grau und
ohne Wellen. Der Himmel hatte keine Wolken und keine Farbe. Am Horizont hob
sich ein
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