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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ich nicht in die
Sche­herazade ge­gan­gen? Wo­vor fürch­te ich mich? Und wes­halb lau­fe ich weg? Es
ist ge­wach­sen, ich weiß es. Die­se drei Mo­na­te ha­ben es nicht zer­bro­chen; sie
ha­ben es stär­ker ge­macht. Es ist zweck­los, mir et­was vor­zu­spie­len. Es ist fast
das ein­zi­ge ge­we­sen, das mit mir ge­blie­ben ist in all dem Schlei­chen über
Gas­sen, in all dem War­ten in ver­steck­ten Zim­mern, in der trop­fen­den Ein­sam­keit
frem­der, stern­lo­ser Näch­te. Die Ab­we­sen­heit hat es stär­ker ge­nährt, als sie
selbst es je­mals ge­konnt hät­te, und jetzt…
    Ein un­ter­drück­ter Schrei weck­te ihn aus sei­nem Brü­ten.
Ein paar Frau­en wa­ren in­zwi­schen her­ein­ge­kom­men. Ei­ne von ih­nen, die aus­sah wie
ei­ne sehr hel­le Ne­ge­rin, ziem­lich be­trun­ken, einen Hut mit Blu­men hin­ten auf
den Kopf ge­scho­ben, warf ein Tisch­mes­ser weg und ging lang­sam die Trep­pe
hin­un­ter. Nie­mand hielt sie auf. Ein Kell­ner kam die Trep­pe her­auf. Ei­ne zwei­te
Frau stand oben und blo­ckier­te ihm den Weg. »Nichts pas­siert«, sag­te sie.
    »Nichts pas­siert.«
    Der Kell­ner zuck­te die Ach­seln und kehr­te um. Ra­vic sah,
wie die rot­haa­ri­ge Frau in der Ecke auf­stand. Gleich­zei­tig ging die Frau, die
den Kell­ner ab­ge­wehrt hat­te, rasch zur Bar hin­un­ter. Die Rot­haa­ri­ge stand
still, die Hand an der vol­len Brust. Vor­sich­tig öff­ne­te sie zwei Fin­ger der
Hand und blick­te hin­un­ter. Das Kleid war ei­ni­ge Zen­ti­me­ter weit zer­schnit­ten,
und dar­un­ter sah man die of­fe­ne Wun­de. Man sah kei­ne Haut, nur die of­fe­ne Wun­de
in dem grü­nen, iri­sie­ren­den Abend­kleid. Die rot­haa­ri­ge Frau starr­te dar­auf, als
kön­ne sie es nicht glau­ben.
    Ra­vic hat­te ei­ne un­will­kür­li­che Be­we­gung ge­macht. Dann
ließ er sich zu­rück­sin­ken. Ei­ne Aus­wei­sung war ge­nug. Er sah, daß die Frau in
dem Tai­lor­ma­de die Rot­haa­ri­ge zu­rück­riß auf das Ka­na­pee. Im sel­ben Au­gen­blick
kam die zwei­te mit ei­nem Glas Schnaps zu­rück von der Bar die Trep­pe her­auf. Die
Frau im Tai­lor­ma­de knie­te auf das Ban­kett, hielt der Rot­haa­ri­gen mit ei­ner Hand
den Mund zu und zog ihr rasch die Hand von der Wun­de. Die zwei­te Frau goß das
Glas Schnaps hin­ein. Pri­mi­ti­ve Art von Des­in­fek­ti­on, dach­te Ra­vic. Die
Rot­haa­ri­ge stöhn­te, zuck­te, aber die an­de­re hielt sie ei­sern fest. Zwei an­de­re
Frau­en deck­ten den Tisch ab ge­gen die üb­ri­gen Gäs­te. Das Gan­ze ging äu­ßerst
rasch und ge­schickt vor sich. Kaum je­mand sah et­was. Ei­ne Mi­nu­te spä­ter, als
wä­ren sie her­bei­ge­zau­bert, ström­te ei­ne An­zahl Les­bie­rin­nen und Ho­mo­se­xu­el­ler
in das Lo­kal. Sie um­ring­ten den Tisch in der Ecke, ho­ben die Rot­haa­ri­ge an,
stütz­ten sie, die an­de­ren deck­ten die Grup­pe la­chend und schwat­zend, und al­le ver­lie­ßen
das Lo­kal, als wä­re nichts ge­sche­hen. Die meis­ten Gäs­te hat­ten fast nichts
ge­merkt.
    »Gut, was?« frag­te je­mand hin­ter Ra­vic. Es war der
Kell­ner.
    Ra­vic nick­te. »Was war los?«
    »Ei­fer­sucht. Die­se Per­ver­sen sind ei­ne auf­ge­reg­te Ban­de.«
    »Wo ka­men ei­gent­lich die an­dern al­le so rasch her? Das
war ja die rei­ne Te­le­pa­thie.«
    »Die rie­chen das, mein Herr«, sag­te der Kell­ner.
    »Wahr­schein­lich hat ei­ne te­le­fo­niert. Aber es ging
prompt.«
    »Die rie­chen es. Und sie hal­ten zu­sam­men wie Tod und
Teu­fel. Zei­gen sich nicht ge­gen­sei­tig an. Nur kei­ne Po­li­zei – das ist al­les,
was sie wol­len. Er­le­di­gen das schon un­ter­ein­an­der.« Der Kell­ner nahm Ra­vics
Glas vom Tisch. »Doch einen? Was war es?«
    »Cal­va­dos.«
    »Gut. Noch einen Cal­va­dos.«
    Er schuf­fel­te da­von. Ra­vic sah auf und sah Jo­an ein paar
Ti­sche ent­fernt sit­zen. Sie war her­ein­ge­kom­men, wäh­rend er mit dem Kell­ner
sprach. Er hat­te sie nicht kom­men se­hen. Sie saß mit zwei Män­nern zu­sam­men. Im
Au­gen­blick, als er sie sah, sah sie ihn auch. Sie erblaß­te un­ter ih­rer son­nen­brau­nen
Haut. Ei­ne Se­kun­de saß sie still, oh­ne die Au­gen von ihm zu las­sen. Dann schob
sie mit ei­ner brüs­ken Be­we­gung den Tisch zur Sei­te,

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