Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
wür­den nicht glau­ben, mein Herr, daß ich vor acht­zehn Jah­ren
Por­tier im Ho­tel Ruhl in Niz­za war, wie?«
    »Doch.«
    »Die Zei­ten! Das Trink­geld! Die herr­li­che Zeit nach dem
Krieg! Heu­te ...«
    Ra­vic war ein gu­ter Gast. Er ver­stand das Ho­tel­per­so­nal,
oh­ne daß es all­zu deut­lich zu wer­den brauch­te. Er hol­te einen Fünf­frank­schein
her­vor und leg­te ihn auf den Tisch.
    »Dan­ke, mein Herr. Viel Ver­gnü­gen noch! Sie se­hen jün­ger
aus, mein Herr!«
    »Füh­le mich auch so. Gu­ten Abend.«
    Ra­vic stand auf der Stra­ße. Wo­zu war er in das Ho­tel
ge­gan­gen? Jetzt fehl­te nur noch, daß er in die Sche­herazade ging und sich da
be­soff.
    Er starr­te in den Him­mel, der vol­ler Ster­ne hing. Er
soll­te froh sein, daß es so ge­kom­men war. Er spar­te ei­ne Men­ge un­nö­ti­ger
Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Er hat­te es ge­wußt, und Jo­an hat­te es auch ge­wußt. Zum
Schluß we­nigs­tens. Sie hat­te ge­tan, was das ein­zig Rich­ti­ge war. Kei­ne
Er­klä­run­gen. Er­klä­run­gen wa­ren zweit­klas­sig. Im Ge­fühl gab es kei­ne
Er­klä­run­gen. Nur Hand­lun­gen. Gott­lob, daß Jo­an da­von nichts wuß­te. Sie hat­te
ge­han­delt. Fer­tig. Aus. Kein Hin- und Her­ge­zer­re. Er hat­te auch ge­han­delt. Was
stand er al­so jetzt noch hier? Es muß­te die Luft sein. Die­ses wei­che Ge­we­be aus
Mai und Abend in Pa­ris. Und die Nacht na­tür­lich. Nachts war man im­mer an­ders
als am Ta­ge.
    Er ging zu­rück in das Ho­tel. »Kann ich bit­te ein­mal
te­le­fo­nie­ren?«
    »Ge­wiß, mein Herr. Wir ha­ben aber kei­ne Te­le­fon­zel­le. Nur
den Ap­pa­rat hier.«
    »Das ge­nügt.«
    Ra­vic sah auf sei­ne Uhr. Es konn­te sein, daß Ve­ber in der
Kli­nik war. Es war die Stun­de der letz­ten Nacht­vi­si­te. »Ist Dok­tor Ve­ber da?«
frag­te er die Schwes­ter. Er kann­te ih­re Stim­me nicht. Sie muß­te neu sein.
    »Dok­tor Ve­ber ist nicht zu spre­chen.«
    »Ist er nicht da?«
    »Er ist da. Aber er ist jetzt nicht zu spre­chen.«
    »Hö­ren Sie«, sag­te Ra­vic. »Ge­hen Sie und sa­gen Sie ihm,
Ra­vic sei am Te­le­fon. Ge­hen Sie so­fort. Es ist wich­tig. Ich war­te am Ap­pa­rat.«
    »Gut«, sag­te die Schwes­ter zö­gernd. »Ich wer­de ihn
fra­gen, aber er wird nicht kom­men.«
    »Wir wer­den se­hen. Fra­gen sie ihn. Ra­vic.«
    Ve­ber war einen Mo­ment spä­ter am Ap­pa­rat. »Ra­vic! Wo sind
Sie?«
    »In Pa­ris. Heu­te an­ge­kom­men. Ope­rie­ren Sie et­wa noch?«
    »Ja. In zwan­zig Mi­nu­ten. Ein ei­li­ger Blind­darm. Wol­len
wir uns spä­ter tref­fen?«
    »Ich kann ’rü­ber­kom­men.«
    »Groß­ar­tig. Wann?«
    »Gleich.«
    »Gut. Ich war­te dann auf Sie.«
    »Hier ist gu­ter Schnaps«, sag­te Ve­ber. »Da sind
Zei­tun­gen und Fach­blät­ter. Ma­chen Sie sich’s be­quem.«
    »Einen Schnaps. Und einen Kit­tel und Hand­schu­he.«
    Ve­ber sah Ra­vic an. »Ein­fa­cher Blind­darm. Un­ter Ih­rer
Wür­de. Ich kann das rasch mit den Schwes­tern ma­chen. Sie sind doch si­cher mü­de
ge­nug.«
    »Ve­ber, tun Sie mir den Ge­fal­len, und las­sen Sie mich die
Ope­ra­ti­on ma­chen. Ich bin nicht mü­de, und ich bin völ­lig in Ord­nung.«
    Ve­ber lach­te. »Sie ha­ben es ver­flucht ei­lig, wie­der ins
Hand­werk zu kom­men. Schön. Wie Sie wol­len. Kann es ei­gent­lich ver­ste­hen.«
    Ra­vic wusch sich und ließ sich den Kit­tel und die
Hand­schu­he über­strei­fen. Der Ope­ra­ti­ons­raum. Er at­me­te den Ge­ruch des Äthers
tief ein. Eu­ge­nie stand am Kopf­en­de des Ti­sches und mach­te die Nar­ko­se. Ei­ne
zwei­te, sehr schö­ne jun­ge Schwes­ter ord­ne­te die In­stru­men­te. »Gu­ten Abend,
Schwes­ter Eu­ge­nie«, sag­te Ra­vic.
    Sie ließ fast den Trop­fer fal­len. »Gu­ten Abend, Dok­tor
Ra­vic«, er­wi­der­te sie.
    Ve­ber schmun­zel­te. Es war das ers­te­mal, daß sie Ra­vic so
an­ge­re­det hat­te. Ra­vic beug­te sich über den Pa­ti­en­ten. Das star­ke
Ope­ra­ti­ons­licht brann­te weiß und in­ten­siv. Es schloß die Welt rings­um ab. Es
schloß die Ge­dan­ken ab. Es war sach­lich und kalt und un­barm­her­zig und gut.
Ra­vic nahm das Mes­ser, das die schö­ne Schwes­ter ihm reich­te. Er fühl­te den
Stahl kühl durch die dün­nen Hand­schu­he. Es war gut, ihn zu füh­len. Es

Weitere Kostenlose Bücher