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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ge­trof­fen.«
    »Was?«
    »In der Clo­che d’Or.«
    »Da soll doch …«, sag­te Mo­ro­sow ver­blüfft. »Mut­ter Le­ben
hat im­mer neue Drehs auf La­ger.«
    »Wann bist du hier fer­tig, Bo­ris?«
    »In ein paar Mi­nu­ten. Nie­mand mehr da. Muß mich um­zie­hen.
Komm so­lan­ge ’rein. Trink einen Wod­ka auf Kos­ten des Hau­ses.«
    »Nein. Ich war­te hier.«
    Mo­ro­sow sah ihn an.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Zum Kot­zen.«
    »Hast du et­was an­de­res er­war­tet?«
    »Ja. Man er­war­tet im­mer was an­de­res. Geh und zieh dich
um.«
    Ra­vic lehn­te sich an die Wand. Ne­ben ihm pack­te die al­te
Blu­men­ver­käu­fe­rin ih­re Blu­men zu­sam­men. Sie bot ihm nicht an, wel­che zu kau­fen.
Er kam sich al­bern vor, aber er hät­te gern ge­habt, wenn sie ihn ge­fragt hät­te.
So war es, als er­war­te sie nicht, daß er wel­che brau­chen kön­ne. Er blick­te die
Häu­ser­rei­he ent­lang. Ein paar Fens­ter wa­ren noch hell. Ta­xis streif­ten lang­sam
vor­bei. Was hat­te er er­war­tet? Er wuß­te es ge­nau. Was er nicht er­war­tet hat­te,
war, daß Jo­an die In­itia­ti­ve er­grei­fen wür­de. Aber warum ei­gent­lich nicht? Wie
recht je­mand schon hat­te, wenn er nur at­ta­ckier­te!
    Die Kell­ner ka­men
her­aus. Sie wa­ren die Nacht über Kau­ka­si­er und Tscher­kes­sen ge­we­sen in ro­ten
Rö­cken und ho­hen Stie­feln. Jetzt wa­ren sie mü­de Zi­vi­lis­ten. In son­der­bar auf
ih­nen wir­ken­den All­tags­an­zü­gen schli­chen sie nach Hau­se. Der letz­te war
Mo­ro­sow. »Wo­hin?« frag­te er.
    »Ich war heu­te schon über­all.«
    »Dann laß uns ins Ho­tel ge­hen und Schach spie­len.«
    »Was?«
    »Schach. Ein Spiel mit Holz­fi­gu­ren, das gleich­zei­tig
ab­lenkt und kon­zen­triert.«
    »Gut«, sag­te Ra­vic. »Warum nicht?«
    Er er­wach­te und wuß­te so­fort, daß Jo­an im Zim­mer war.
Es war noch dun­kel, und er konn­te sie nicht se­hen, aber er wuß­te, daß sie da
war. Das Zim­mer war an­ders, das Fens­ter war an­ders, die Luft war an­ders, und er
selbst war an­ders. »Laß den Un­sinn!« sag­te er. »Mach das Licht an und komm
her.«
    Sie rühr­te sich nicht. Er hör­te sie nicht ein­mal at­men.
»Jo­an«, sag­te er, »wir wol­len nicht Ver­steck spie­len.«
    »Nein«, sag­te sie lei­se.
    »Dann komm her.«
    »Wuß­test du, daß ich kom­men wür­de?«
    »Nein.« .
    »Dei­ne Tür war of­fen.«
    »Mei­ne Tür ist fast im­mer of­fen.«
    Sie schwieg einen Au­gen­blick. »Ich dach­te, du wä­rest noch
nicht hier«, sag­te sie dann. »Ich woll­te nur … ich dach­te … du wür­dest noch
ir­gend­wo sit­zen und trin­ken.«
    »Das dach­te ich auch. Ich ha­be statt des­sen Schach
ge­spielt.«
    »Was?«
    »Schach. Mo­ro­sow. Un­ten in der Bu­de, die aus­sieht wie ein
Aqua­ri­um oh­ne Was­ser.«
    »Schach!« Sie kam aus ih­rer Ecke her­vor. »Schach! Das ist
doch … Je­mand, der Schach spie­len kann, wenn ...«
    »Ich hät­te es auch nicht ge­glaubt, aber es ging. Gut
so­gar. Ich konn­te ei­ne Par­tie ge­win­nen.«
    »Du bist das käl­tes­te, herz­lo­ses­te ...«
    »Jo­an«, sag­te Ra­vic. »Kein Sze­nen. Ich bin für gu­te
Sze­nen. Nur nicht heu­te.«
    »Ich ma­che kei­ne Sze­nen. Ich bin tod­un­glück­lich.«
    »Schön. Dann wol­len wir das al­les las­sen. Sze­nen sind
rich­tig, wenn man mit­tel­mä­ßig un­glück­lich ist. Ich ha­be einen Mann ge­kannt, der
vom Au­gen­blick, als sei­ne Frau starb, bis zu ih­rem Be­gräb­nis sich in sein
Zim­mer ein­schloß und Schach­pro­ble­me lös­te. Man hielt ihn für herz­los, aber ich
weiß, daß er sei­ne Frau ge­liebt hat­te wie nichts auf der Welt. Er wuß­te ein­fach
nichts an­de­res. Er lös­te Tag und Nacht Schach­auf­ga­ben, um nicht dar­an zu
den­ken.«
    Jo­an stand jetzt in der Mit­te des Zim­mers. »Hast du es
des­halb ge­tan, Ra­vic?«
    »Nein. Ich sag­te dir doch, es war ein an­de­rer Mann. Ich
ha­be ge­schla­fen, als du kamst.«
    »Ja, du hast ge­schla­fen! Du kannst schla­fen!«
    Ra­vic stütz­te sich auf. »Ich ha­be einen an­dern Mann
ge­kannt, der auch sei­ne Frau ver­lo­ren hat­te. Er leg­te sich zu Bett und schlief
zwei Ta­ge durch. Die Mut­ter sei­ner Frau war au­ßer sich dar­über. Sie ver­stand
nicht, daß man vie­le wi­der­spre­chen­de Din­ge tun und

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