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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Cal­va­dos.«
    »Ist es Cal­va­dos?«
    »Ja. Hast du es nicht ge­merkt?«
    »Nein.« Sie goß ein. Sie leg­te da­bei einen Arm ge­gen
sei­ne Brust, wäh­rend sie die Fla­sche hielt. Er spür­te es bis in die Rip­pen. Sie
nahm ihr Glas und trank. »Ja, es war Cal­va­dos.« Dann sah sie ihn wie­der an.
»Gut, daß ich ge­kom­men bin. Ich wuß­te es. Gut, daß ich ge­kom­men bin.«
    Es wur­de hel­ler. Die Fens­ter­lä­den be­ga­nen lei­se zu
knar­ren. Der Mor­gen­wind kam auf. »Ist es gut, daß ich ge­kom­men bin?« frag­te
sie.
    »Ich weiß es nicht, Jo­an.«
    Sie beug­te sich über ihn.
    »Du weißt es, du mußt es wis­sen.«
    Ihr Ge­sicht war so dicht über ihm, daß ihr Haar über
sei­ne Schul­tern fiel. Er blick­te es an. Es war ei­ne Land­schaft, die er kann­te,
sehr fremd und sehr ver­traut, im­mer die­sel­be und nie gleich. Er sah, daß die
Haut auf ih­rer Stirn sich schäl­te. Er sah, daß das Rot des Lip­pen­stif­tes
bröck­lig auf der Ober­lip­pe lag, er sah, daß sie nicht ganz or­dent­lich
ge­schminkt war – er sah das al­les in dem Ge­sicht, das jetzt so dicht über dem
sei­nen war, daß es die gan­ze üb­ri­ge Welt für ihn ver­deck­te – er sah es und
wuß­te, daß nur sei­ne Phan­ta­sie es war, die es trotz­dem ge­heim­nis­voll mach­te; er
wuß­te, daß es schö­ne­re Ge­sich­ter gab, klü­ge­re, rei­ne­re – aber er wuß­te auch,
daß die­ses ei­ne Ge­sicht ei­ne Ge­walt über ihn be­saß wie kein an­de­res. Und die­se
Ge­walt hat­te er ihm selbst ge­ge­ben.
    »Ja«, sag­te er. »Es ist gut. So oder so.«
    »Ich hät­te es nicht er­tra­gen, Ra­vic.«
    »Was?«
    »Daß du fort ge­we­sen wä­rest. Ganz fort.«
    »Du sag­test doch, du hät­test ge­glaubt, ich käme nie
wie­der?«
    »Das ist nicht das­sel­be. Wenn du in ei­nem an­dern Land
ge­lebt hät­test, das wä­re an­ders ge­we­sen. Wir wä­ren nur ge­trennt ge­we­sen. Ich
hät­te zu dir kom­men kön­nen. Aber hier, in der­sel­ben Stadt… ver­stehst du das
nicht?«
    »Doch.«
    Sie rich­te­te sich auf und strich ihr Haar zu­rück. »Du
kannst mich nicht al­lein las­sen. Du bist ver­ant­wort­lich für mich.«
    »Bist du al­lein?«
    »Du bist ver­ant­wort­lich für mich«, sag­te sie und
lä­chel­te.
    Er haß­te sie ei­ne Se­kun­de – für das Lä­cheln und da­für,
wie sie es sag­te. »Re­de kei­nen Un­sinn, Jo­an.«
    »Doch, du bist es. Von da­mals her. Oh­ne dich ...«
    »Schön. Ich bin auch ver­ant­wort­lich für die Be­set­zung der
Tsche­cho­slo­wa­kei. Und nun hör auf da­mit. Es wird hell. Du mußt bald ge­hen.«
    »Was?« Sie starr­te ihn an. »Du willst nicht, daß ich
hier­blei­be?«
    »Nein.«
    »So …«, sag­te sie lei­se und plötz­lich sehr bö­se. »So ist
das al­so! Du liebst mich nicht mehr!«
    »Großer Gott«, sag­te Ra­vic. »Auch das noch. Mit was für
Idio­ten bist du in den letz­ten Mo­na­ten zu­sam­men ge­we­sen?«
    »Das wa­ren kei­ne Idio­ten. Was soll­te ich denn tun? Im
Ho­tel Mi­lan sit­zen und die Wän­de an­star­ren und ver­rückt wer­den?«
    Ra­vic rich­te­te sich halb auf. »Nur kei­ne Be­kennt­nis­se«,
sag­te er. »Ich woll­te kei­ne Be­kennt­nis­se. Ich hat­te nur die Ab­sicht, das
Ge­sprächs­ni­veau et­was zu he­ben.«
    Sie starr­te ihn an. Ihr Mund und ih­re Au­gen wa­ren flach.
»Warum kri­ti­sierst du mich im­mer? An­de­re Men­schen kri­ti­sie­ren mich nicht. Bei
dir wird im­mer gleich al­les zu ei­nem Pro­blem!«
    »Rich­tig.« Ra­vic nahm einen Schluck Cal­va­dos und leg­te
sich zu­rück.
    »Es ist wahr«, sag­te sie. »Man weiß nie, wor­an man mit
dir ist. Du machst einen Din­ge sa­gen, die man nicht sa­gen will. Und dann fällst
du über einen her.«
    Ra­vic hol­te tief Atem. Was hat­te er da vor­her nur
ge­dacht? Dun­kel­heit der Lie­be, Ge­walt der Phan­ta­sie, wie rasch sich das
kor­ri­gie­ren konn­te! Sie ta­ten es selbst, un­auf­hör­lich selbst. Sie wa­ren die
eif­rigs­ten Zer­stö­rer der Träu­me. Aber was konn­ten sie schon da­für? Was konn­ten
sie wirk­lich schon da­für – schö­ne, ver­lo­re­ne Ge­trie­be­ne – ein Rie­sen­ma­gnet,
ir­gend­wo, tief un­ter der Er­de – und dar­über die bun­ten Fi­gu­ren, die glaub­ten,
einen ei­ge­nen Wil­len und ein ei­ge­nes Schick­sal zu ha­ben –

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