E.M. Remarque
wollte es nicht, ich spielte damit,
es erschien so ungefährlich, so leicht, wieder beiseite zu schieben – und dann,
plötzlich war es mehr geworden, ein Zwang, etwas, das in mir auch wollte, ich
wehrte mich, und es nützte nichts, ich gehörte nicht dahin, es war alles nicht
in mir, was wollte, es war nur ein Stück, aber es schob mich, es war wie ein
langsamer Erdrutsch, über den man anfangs lacht, und plötzlich ist nichts mehr
da, um sich festzuhalten, und man kann sich nicht mehr wehren. Aber ich gehörte
nicht dahin, Ravic. Ich gehöre zu dir.«
Er warf seine Zigarette aus dem Fenster. Sie flog wie ein
Leuchtkäfer zum Hof hinunter. »Was geschehen ist, ist geschehen, Joan«, sagte
er. »Wir können es jetzt nicht mehr ändern.«
»Ich will nichts ändern. Es wird vorübergehen. Ich gehöre
zu dir. Weshalb komme ich wieder? Weshalb stehe ich vor deiner Tür? Weshalb
warte ich hier auf dich, und du wirfst mich hinaus, und ich werde wiederkommen?
Ich weiß, du glaubst mir nicht und denkst, ich hätte andere Gründe. Was für
Gründe denn? Wenn das andere mich ausfüllte, würde ich nicht wiederkommen. Ich
würde dich vergessen haben. Du sagst, was ich bei dir suche, sei Sicherheit.
Das ist nicht wahr. Es ist Liebe.«
Worte, dachte Ravic. Süße Worte. Sanfter, trügerischer
Balsam. Hilfe, Liebe, Zusammengehören, Wiederkommen – Worte, süße Worte. Nichts
als Worte. Wie viele Worte es gab für diese einfache, wilde, grausame Anziehung
zweier Körper! Welch ein Regenbogen der Phantasie, Lüge, Gefühl und
Selbstbetrug sich darüber wölbte! Da stand er, in dieser Nacht des Abschieds,
da stand er, ruhig, im Dunkeln, und ließ ihn über sich hinträufeln, diesen
Regen von süßen Worten, die nichts bedeuteten als Abschied, Abschied, Abschied.
Wenn man darüber sprach, war es schon verloren. Der Gott der Liebe hatte eine
blutbefleckte Stirn. Er wußte nichts von Worten.
»Du mußt jetzt gehen, Joan.«
Sie stand auf. »Ich will hierbleiben. Laß mich
hierbleiben. Nur eine Nacht.«
Er schüttelte den Kopf. »Wofür hältst du mich? Ich bin
kein Automat.«
Sie lehnte sich an ihn. Er fühlte, daß sie zitterte.
»Es ist mir gleich. Laß mich hierbleiben.«
Er schob sie behutsam von sich. »Du solltest nicht gerade
mit mir anfangen, den anderen zu betrügen. Er wird noch genug zu leiden haben.«
»Ich kann jetzt nicht allein nach Hause gehen.«
»Du brauchst nicht lange allein zu bleiben.«
»Doch, ich bin allein. Schon seit Tagen. Er ist fort.
Nicht in Paris.«
»So …«, erwiderte Ravic ruhig. Er sah sie an. »Immerhin,
du bist wenigstens offen. Man weiß, woran man mit dir ist.«
»Ich bin nicht deshalb gekommen.«
»Natürlich nicht.«
»Ich hätte es ja auch nicht zu sagen brauchen.«
»Richtig.«
»Ravic, ich will nicht allein nach Hause gehen.«
»Dann werde ich dich nach Hause bringen.«
Sie trat langsam einen Schritt zurück. »Du liebst mich
nicht mehr …«, sagte sie leise und fast drohend.
»Bist du gekommen, um das zu erfahren?«
»Ja – das auch. Nicht allein – aber auch deshalb.«
»Mein Gott, Joan«,
sagte Ravic ungeduldig, »dann hast du soeben eines der offensten
Liebesbekenntnisse gehört.«
Sie antwortete nicht. Sie sah ihn an. »Glaubst du, daß
ich mir sonst etwas daraus machen würde, dich hierzubehalten, ganz gleich, mit
wem du lebst?« sagte er.
Sie begann langsam zu lächeln. Es war kein eigentliches
Lächeln – es war wie ein Schein von innen heraus, als hätte jemand in ihr eine
Lampe angezündet und der Glanz stiege langsam höher bis in die Augen. »Danke,
Ravic«, sagte sie. Und nach einer Weile vorsichtig, ihn immer noch ansehend:
»Du wirst mich nicht verlassen?«
»Wozu fragst du das?«
»Du wirst warten? Du wirst mich nicht verlassen?«
»Ich glaube, da ist nicht viel Gefahr. Nach den
Erfahrungen mit dir.«
»Danke.« Sie
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