E.M. Remarque
daß Ravic es sehen konnte. Es war nicht das Bild des Mannes, den er
mit Joan in der »Cloche d’Or« gesehen hatte.
»Alle wollen es«,
sagte sie voll Verachtung. »Lüg nicht, lüg nicht! Sag nur die Wahrheit! Und
wenn man es tut, können sie es nicht ertragen. Keiner! Aber dich habe ich nicht
oft belogen. Dich nicht. Bei dir wollte ich es nicht ...«
»Gut«, sagte Ravic. »Wir brauchen das nicht zu erörtern.«
Er war plötzlich auf eine sonderbare Weise gerührt. Irgend etwas hatte ihn
getroffen. Er wurde ärgerlich. Er wollte nicht mehr getroffen werden.
»Nein. Bei dir hatte ich es nicht nötig«, sagte sie und
sah ihn fast flehend an.
»Joan ...«
»Und ich lüge jetzt auch nicht. Ich lüge nicht ganz,
Ravic. Ich habe dich wirklich angerufen, weil ich Angst habe. Ich hatte ihn
glücklich aus der Tür ’raus und abgeschlossen. Es war das erste, was mir in den
Sinn kam. Ist das so schlimm?«
»Du warst verdammt ruhig und ohne Angst, als ich kam.«
»Weil er fort war. Und weil ich dachte, du wirst kommen
und mir helfen.«
»Gut. Dann ist jetzt alles in Ordnung, und ich kann
gehen.«
»Er kommt wieder. Er hat geschrien, er würde
wiederkommen. Er sitzt jetzt irgendwo und trinkt. Ich weiß das. Und wenn er
betrunken ist und wiederkommt, ist er nicht wie du – er kann nicht trinken.«
»Genug!« sagte Ravic. »Laß das. Es ist zu albern. Deine
Tür ist gut. Und mach so etwas nicht wieder.«
Sie blieb stehen. »Was soll ich denn sonst machen?« stieß
sie plötzlich hervor.
»Nichts.«
»Ich rufe dich an – dreimal, viermal –, du antwortest
nicht. Und wenn du antwortest, sagst du mir, ich solle dich in Ruhe lassen. Wie
denkst du dir das?« – »Genauso.«
»Genauso? Wie genauso? Sind wir Automaten, die man anund
abstellen kann? Eine Nacht ist alles wunderbar und voll Liebe und dann
plötzlich ...«
Sie schwieg, als sie Ravics Gesicht sah. »Ich habe mir
gedacht, daß das kommen würde«, sagte er leise. »Ich habe mir gedacht, daß du
versuchen würdest, es auszunützen! Es paßt zu dir! Du wußtest, es war das
letztemal damals, und du hättest es damit genug sein lassen sollen. Du warst
bei mir, und weil es das letztemal war, war es so, wie es war, und es war gut,
und es war ein Abschied, und wir waren voll voneinander, und wir würden es in
unserer Erinnerung geblieben sein – du aber konntest nichts weiter tun, als es
wie ein Händler ausnützen, es umdrehen in eine neue Forderung, um etwas
Einmaligem, Fliegendem eine kriechende Fortsetzung zu machen! Und da ich nicht
wollte, greifst du jetzt zu diesem ekelhaften Trick hier, und man muß
widerkauen, worüber Sprechen allein schon eine Schamlosigkeit ist.«
»Ich ...«
»Du wußtest es«, unterbrach er sie. »Lüg nicht wieder.
Ich will nicht wiederholen, was du gesagt hast. Ich kann so etwas noch nicht!
Wir beide wußten es. Du wolltest nie wiederkommen.«
»Ich bin nicht wiedergekommen!«
Ravic starrte sie an. Er beherrschte sich mühsam. »Gut.
Dann hast du telefoniert.«
»Ich habe telefoniert, weil ich Angst hatte!«
»O Gott«, sagte Ravic. »Dies ist zu idiotisch! Ich gebe
auf!«
Sie lächelte langsam. »Ich auch, Ravic. Siehst du nicht,
daß ich nur will, daß du hierbleibst?«
»Das ist genau, was ich nicht will.«
»Warum?« Sie lächelte immer noch.
Ravic kam sich ziemlich geschlagen vor. Sie weigerte sich
einfach, ihn zu verstehen, und wenn er anfangen würde, es zu erklären, würde er
weiß wo enden. »Es ist eine verfluchte Korruption«, sagte er schließlich. »Du
kannst das nicht verstehen.«
»Doch«, erwiderte sie langsam. »Vielleicht. Aber warum
ist es anders als vor einer Woche?«
»Da war es dasselbe.«
Sie schwieg und sah ihn an. »Ich kümmere mich nicht um
Namen«, sagte sie dann. Er antwortete nicht. Er spürte, wie überlegen sie war.
»Ravic«, sagte sie und kam näher. »Ja, ich habe gesagt, damals, es sei zu
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