E.M. Remarque
Taschenschachspiel hervor. »Wollen wir
eine Partie machen?«
»Ja.«
Sie steckten die Figuren in die Löcher des Spiels.
Morosow setzte sich in einen Sessel. Ravic saß auf dem Sofa. »Ich glaube nicht,
daß ich hier länger als drei Tage bleiben kann ohne Paß«, sagte er.
»Hat die Rezeption schon danach gefragt?«
»Noch nicht. Manchmal verlangen sie Pässe mit Visa bei
der Ankunft. Ich bin deshalb nachts eingezogen. Der Nachtknabe hat nicht viel
gefragt. Ich habe ihm gesagt, ich brauche ein Zimmer für fünf Tage.«
»In den teuren Hotels nimmt man es nicht so genau.«
»Wenn sie kommen und meinen Paß verlangen, wird es
schwierig.«
»Sie werden vorläufig nicht kommen. Ich habe mich
erkundigt im George V. und im Ritz. Hast du dich als Amerikaner eingetragen?«
»Nein. Als Holländer von Utrecht. Stimmt nicht ganz mit
dem deutschen Namen. Habe ihn deshalb zur Vorsicht etwas verändert. Van Horn,
nicht von. Klingt gleich, wenn Haake anfragt.«
»Gut. Ich glaube, es wird trotzdem klappen. Du hast ja
nicht eines der billigen Zimmer gemietet. Man wird sich nicht um dich kümmern.«
»Hoffentlich nicht.«
»Schade, daß du Horn als Namen angegeben hast. Ich weiß
eine tadellose Carte d’Identité, noch ein Jahr gültig. Von einem Freund von
mir, gestorben vor sieben Monaten. Wir haben ihn bei der Leichenschau als
deutschen Refugié ohne Papiere angegeben. Haben so den Ausweis gültig erhalten
und gerettet. Es macht ihm nichts aus, als Josef Weiß irgendwo begraben zu
liegen. Hier aber haben schon zwei Emigranten mit seinen Papieren gelebt. Iwan
Kluge. Kein russischer Name. Das Foto verwischt, Profil, ungestempelt, leicht
auszutauschen.«
»Besser so, wie es jetzt ist«, sagte Ravic. »Wenn ich
hier ausziehe, gibt es dann keinen Horn mehr und keine Papiere.«
»Es wäre sicherer gewesen für die Polizei. Aber sie wird
nicht kommen. Sie kommt nicht in Hotels, wo man mehr als hundert Frank für ein
Appartement bezahlt. Ich kenne einen Refugié, der im Ritz seit fünf Jahren ohne
Papiere lebt. Der einzige, der es weiß, ist der Nachtportier. Hast du dir
überlegt, was du machst, wenn die Brüder trotz alledem nach dir fragen
sollten?«
»Natürlich. Mein Paß liegt auf der argentinischen
Gesandtschaft für ein Visum. Werde versprechen, ihn am nächsten Tag zu
besorgen. Lasse dann den Koffer hier stehen und komme nicht wieder. Ich habe
Zeit für das. Die erste Anfrage wird vom Management kommen, nicht von der
Polizei direkt. Ich rechne damit. Nur – dann ist es aus hier.«
»Es wird klappen.«
Sie spielten bis halb neun Uhr. »Geh jetzt Abendbrot
essen«, sagte Morosow. »Ich warte hier noch. Dann muß ich los.«
»Ich werde später hier essen.«
»Unsinn. Geh jetzt und iß eine anständige Portion. Wenn
der Knabe anruft, mußt du wahrscheinlich zuerst mit ihm trinken. Besser, du
hast dann reichlich gegessen. Weißt du, wohin du mit ihm gehen willst?«
»Ja.«
»Ich meine, wenn er noch irgendwas sehen oder trinken
will.«
»Ja. Ich weiß genug Plätze, wo sich keiner kümmert.«
»Geh jetzt essen. Trink nichts. Iß schwere, fette
Sachen.«
»Schön.«
Ravic ging wieder zu Fouquet’s hinüber. Es war alles
nicht wirklich, empfand er. Er las das in einem Buch, oder er sah das in einem
melodramatischen Film, oder er träumte es. Er ging wieder zuerst beide Seiten
von Fouquet’s ab. Die Terrassen waren gedrängt voll. Er kontrollierte jeden
einzelnen Tisch. Haake war nirgends.
Er saß an einem kleinen Tisch, nahe der Tür, so daß er
den Eingang und die Straße beobachten konnte. Neben ihm unterhielten sich zwei
Frauen über Schiaparelli und Mainbocher. Ein Mann mit einem dünnen Bart saß bei
ihnen und sagte nichts. Auf der andern Seite sprachen ein paar Franzosen über
die Politik. Einer war für das Croix de feu, einer für die
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