E.M. Remarque
dem metallischen Licht – und fing
sich und arbeitete ruhig weiter.
Er nähte. Seine Hände nähten. Die Wunde schloß sich. Er
fühlte, wie das Wasser unter seinen Armen rann. Es lief an seinem Körper herunter.
»Wollen Sie fertignähen?« fragte er Veber.
»Ja. Ist was los?«
»Nein. Die Hitze. Nicht genug geschlafen.«
Veber sah Eugeniens Blick. »Kommt vor, Eugenie«, sagte
er. »Selbst bei Gerechten.«
Der Raum schwankte einen Augenblick. Eine wilde Müdigkeit.
Veber nähte weiter. Ravic half ihm automatisch. Seine Zunge war dick. Der
Gaumen wie Watte. Er atmete sehr langsam. Mohn, dachte etwas in ihm. Mohn in
Flandern. Offener, roter Bauch. Rot, offene Mohnblüte, schamloses Geheimnis,
Leben, so dicht unter Händen mit Messern. Zucken, die Arme herab, magnetischer
Kontakt, weit her von einem fernen Tod. Ich kann nicht mehr operieren, dachte
er. Dieses muß erst vorbei sein.
Veber pinselte den geschlossenen Schnitt. »Fertig.«
Eugenie kurbelte die Beine der Operierten herunter. Leise
rollte der Wagen hinaus. »Zigarette?« fragte Veber.
»Nein. Ich muß fort. Habe etwas zu erledigen. Ist noch
was zu tun hier?«
»Nein.« Veber sah Ravic verwundert an. »Wozu haben Sie es
so eilig? Wollen Sie nicht einen Vermouth-Soda oder sonst irgend etwas Kühles
trinken?«
»Nichts. Ich muß los! Wußte nicht, daß es schon so spät
war! Adieu, Veber.«
Er ging rasch hinaus. Taxi, dachte er draußen. Taxi,
schnell. Er sah einen Citroën kommen und hielt ihn an. »Zum Hotel ›Prince de
Galles‹! Rasch!«
Ich muß Veber sagen, daß er ein paar Tage ohne mich
auskommen muß, dachte er. Es geht so nicht. Ich werde verrückt, wenn ich
während der Operation plötzlich denke, daß Haake gerade jetzt anrufen könnte.
Er zahlte das Taxi und ging durch die Halle. Es schien
endlos zu dauern, bis der Aufzug kam. Er ging den breiten Korridor hinab und
schloß das Zimmer auf. Das Telefon. Er hob den Hörer ab, als sei er ein
schweres Gewicht. »Hier ist von Horn. Hat jemand für mich angerufen?«
»Einen Augenblick, mein Herr.«
Ravic wartete.
Die Stimme der Telefonistin kam zurück. »Nein. Kein
Anruf.«
»Danke.«
Morosow erschien nachmittags. »Hast du gegessen?«
fragte er.
»Nein. Ich habe auf dich gewartet. Wir können zusammen
hier essen.«
»Unsinn. Würde auffallen. Niemand ißt in Paris in seinem
Zimmer, wenn er nicht krank ist. Geh essen. Ich bleibe hier. Um diese Zeit
telefoniert niemand. Jeder ißt. Geheiligter Brauch. Sollte er trotzdem anrufen,
bin ich dein Valet, nehme seine Nummer und sage, du wärest zurück in einer
halben Stunde.«
Ravic zögerte. »Gut«, sagte er dann. »Ich werde in
zwanzig Minuten zurück sein.«
»Laß dir Zeit. Du hast lange genug gewartet. Werde jetzt
nicht nervös. Gehst du zu Fouquet’s?«
»Ja.«
»Laß dir von dem offenen 37er Vouvray geben. Habe ihn
gerade gehabt. Erste Klasse.«
»Gut.«
Ravic fuhr hinunter. Er überquerte rasch die Straße und
ging die Terrasse ab. Dann ging er durch das Restaurant. Haake war nicht da. Er
setzte sich an einen leeren Tisch an der Avenue George V. und bestellte boeuf à
la mode, Salat, Ziegenkäse und eine Karaffe Vouvray.
Er beobachtete sich, während er aß. Er zwang sich zu
schmecken, daß der Wein leicht und etwas spritzig war. Er aß langsam, er
schaute umher, er sah den Himmel wie eine blaue Seidenfahne über dem Arc de
Triomphe hängen, er bestellte noch einen Kaffee, er spürte den bitteren
Geschmack, er zündete sich langsam eine Zigarette an, er wollte sich nicht
eilen, er saß noch eine Weile, er betrachtete die Menschen, die vorübergingen,
dann stand er auf und ging zum »Prince de Galles« hinüber und hatte alles
vergessen.
»Wie war der Vouvray?« fragte Morosow.
»Gut.«
Morosow holte ein
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