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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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elek­tri­schen Ko­cher auf der Fens­ter­bank. Das Was­ser bub­bel­te ei­ne
Zeit­lang. Es er­in­ner­te ihn an den Bach. Nur an den Bach. Er schlug die Köp­fe
von zwei Am­pul­len ab und zog den was­ser­hel­len In­halt in die Sprit­ze. Er mach­te
sich die In­jek­ti­on und leg­te sich aufs Bett. Nach ei­ner Wei­le hol­te er sei­nen
al­ten Schlaf­rock und deck­te sich da­mit zu. Es war ihm, als wä­re er zwölf Jah­re
alt und mü­de und al­lein in der son­der­ba­ren Ein­sam­keit des Wach­sens und der
Ju­gend.
    Er wach­te auf in der Däm­me­rung. Ein blas­ses Ro­sa hing
über den Haus­dä­chern. Von un­ten ka­men die Stim­men von Wie­sen­hoff und Frau
Gold­berg. Er konn­te nicht ver­ste­hen, was sie re­de­ten. Er woll­te es auch nicht.
Er war in der Stim­mung ei­nes Men­schen, der nach­mit­tags ge­schla­fen hat und es
nicht ge­wohnt ist – her­aus­ge­fal­len aus al­len Be­zie­hun­gen und reif für einen
ra­schen, sinn­lo­sen Selbst­mord. Ich woll­te, ich könn­te jetzt ope­rie­ren, dach­te
er. Einen schwe­ren, fast aus­sichts­lo­sen Fall. Ihm fiel ein, daß er den Tag über
nichts ge­ges­sen hat­te. Er spür­te plötz­lich ra­sen­den Hun­ger. Die Kopf­schmer­zen
wa­ren ver­schwun­den. Er zog sich an und ging hin­un­ter.
    Mo­ro­sow saß in Hemds­är­meln in sei­nem Zim­mer am Tisch und
lös­te ei­ne Schach­auf­ga­be. Der Raum war fast kahl. An der einen Wand hing ein
Uni­form­rock. In ei­ner Ecke ei­ne Iko­ne mit ei­nem Licht da­vor. In ei­ner an­dern
stand ein Tisch mit ei­nem Sa­mo­war, in der drit­ten ein mo­der­ner Eis­schrank. Es
war der Lu­xus Mo­ro­sows. In ihm hielt er Wod­ka, Le­bens­mit­tel und Bier kalt. Ein
tür­ki­scher Tep­pich lag vor dem Bett.
    Mo­ro­sow stand oh­ne ein Wort auf und hol­te zwei Glä­ser und
ei­ne Wod­kafla­sche. Er schenk­te die Glä­ser voll. »Sub­ow­ka«, sag­te er.
    Ra­vic setz­te sich an den Tisch. »Ich will nichts trin­ken,
Bo­ris. Ich bin nur ver­dammt hung­rig.«
    »Gut. Laß uns es­sen ge­hen. Einst­wei­len …« Mo­ro­sow kram­te
schwar­zes, rus­si­sches Brot, Gur­ken, But­ter und ei­ne klei­ne Büch­se Ka­vi­ar aus
dem Eis­schrank, »… nimm das! Der Ka­vi­ar ist ein Ge­schenk des Kü­chen­chefs der
Sche­herazade. Ver­trau­ens­wür­dig.«
    »Bo­ris«, sag­te Ra­vic. »Laß uns kein Thea­ter spie­len. Ich
ha­be den Mann vor der ›Osi­ris‹ ge­trof­fen, ihn im Bois er­schla­gen und in St.
Ger­main be­gra­ben.«
    »Hat dich je­mand ge­se­hen?«
    »Nein. Auch vor der ›Osi­ris‹ nicht.«
    »Nir­gend­wo?«
    »Im Bois kam je­mand über die Wie­se. Als al­les er­le­digt
war. Ich hat­te ihn im Wa­gen. Man konn­te nichts se­hen als den Wa­gen und mich,
der kotz­te. Ich konn­te be­sof­fen sein, und mir konn­te schlecht ge­wor­den sein.
Nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches.«
    »Was hast du mit sei­nen Sa­chen ge­macht?«
    »Ver­gra­ben. Iden­ti­täts­mar­ken her­aus­ge­schnit­ten und mit
sei­nen Pa­pie­ren ver­brannt. Ich ha­be nur noch sein Geld und ei­ne Quit­tung für
sein Ge­päck am Ga­re du Nord. Er hat­te sein Zim­mer schon auf­ge­ge­ben und woll­te
ab­rei­sen heu­te mor­gen.«
    »Ver­dammt, das war Glück! Ir­gend­wel­che Blut­spu­ren?«
    »Nein. Da war kaum Blut. Ich ha­be mein Zim­mer im ›Prin­ce
de Gal­les‹ auf­ge­ge­ben. Mei­ne Sa­chen sind wie­der hier. Es ist wahr­schein­lich,
daß die Leu­te, mit de­nen er hier zu tun hat­te, an­neh­men, er sei ab­ge­reist. Wenn
man das Ge­päck ab­ho­len wür­de, wür­de kei­ne Spur mehr von ihm hier sein.«
    »Man wird in Ber­lin mer­ken, daß er nicht an­kommt, und
hier zu­rück­fra­gen.«
    »Wenn das Ge­päck nicht da ist, wird man nicht wis­sen,
wo­hin er ge­fah­ren ist.«
    »Man wird es wis­sen. Er hat sei­ne Schlaf­wa­gen­kar­te nicht
be­nutzt. Hast du sie ver­brannt?«
    »Ja.«
    »Dann ver­bren­ne die Quit­tung auch.«
    »Man könn­te sie an das Ge­päck­de­par­te­ment schi­cken und das
Ge­päck nach Ber­lin oder sonst­wo ge­gen Nach­nah­me ge­hen las­sen.«
    »Das bleibt das­sel­be. Es ist bes­ser, sie zu ver­bren­nen.
Wenn du zu ge­ris­sen bist, wird man mehr ver­mu­ten als jetzt. So ist er ein­fach
ver­schwun­den. Das kommt vor in Pa­ris. Man wird nach­for­schen und mit

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