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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Emi­gran­ten.«
    »Sa­les Re­fu­giés«, sag­te der Mann.
    »Siehs­te, Sel­ma­chen, da ste­hen wir nu«, sag­te Stern. »Was
ma­che wer nu? Was ham wer schon für Ge­sei­res ge­habt mit dei­ne Ma­ha­go­ni. Aus
Ko­blenz sind wir vier Mo­na­te spä­ter ’raus, weil du dich nicht tren­nen konn­test.
Acht­zehn­tau­send Mark Reichs­flucht­steu­er mehr hat uns das ge­kos­tet. Und nu stehn
wir hier auf der Stra­ße, und das Schiff war­tet nicht.«
    Er leg­te den Kopf zur Sei­te und sah be­küm­mert auf
Mo­ro­sow. »Was soll man ma­chen?« sag­te er. »Sa­les bo­ches! Sa­les re­fu­giés! Sag’
ich ihm jetzt, wir sind Ju­den, wird er sa­gen: Sa­les juifs, und dann ist es ganz
aus.«
    »Ge­ben Sie ihm Geld«, sag­te Mo­ro­sow.
    »Geld? Er wird es mir ins Ge­sicht schmei­ßen.«
    »Aus­ge­schlos­sen«, er­wi­der­te Ra­vic. »Wer so schimpft, ist
im­mer be­stech­lich.«
    »Es ist ge­gen mei­nen Cha­rak­ter. Be­lei­digt wer­den und noch
da­für be­zah­len.«
    »Wirk­li­che Be­lei­di­gun­gen fan­gen erst an, wenn sie
per­sön­lich wer­den«, er­klär­te Mo­ro­sow. »Dies war ei­ne all­ge­mei­ne Be­lei­di­gung.
Be­lei­di­gen Sie den Mann zu­rück, in­dem Sie ihm ein Trink­geld ge­ben.«
    In Sterns Au­gen fun­kel­te ein Lä­cheln. »Gut«, sag­te er zu
Mo­ro­sow. »Gut.«
    Er nahm ein paar Schei­ne her­aus und gab sie den Pa­ckern.
Bei­de nah­men sie ver­ach­tungs­voll. Stern steck­te ver­ach­tungs­voll sei­ne
Brief­ta­sche wie­der ein. Die Pa­cker sa­hen sich um. Dann be­gan­nen sie, die
Au­bus­son­stüh­le ein­zu­la­den. Das Bü­fett nah­men sie aus Prin­zip zu­letzt. Als sie
es ein­lu­den, ga­ben sie ihm ei­ne Dre­hung, und die rech­te Sei­te schramm­te den
Mö­bel­wa­gen. Sel­ma Stern zuck­te, sag­te aber nichts. Stern sah es gar nicht. Er
über­zähl­te sei­ne Vi­sa und sei­ne Pa­pie­re.
    »Nichts sieht so jam­mer­voll aus, wie Mö­bel auf der
Stra­ße«, sag­te Mo­ro­sow.
    Die Sa­chen der Fa­mi­lie Wag­ner stan­den jetzt da. Ein paar
Stüh­le, ein Bett, das scham­los und trau­rig wirk­te, so mit­ten auf der Stra­ße.
Zwei Kof­fer – Via­reg­gio, das Grand Ho­tel Gar­do­ne, das Ad­lon, Ber­lin. Ein
dreh­ba­rer Spie­gel in ei­nem Gol­d­rah­men, in dem die Stra­ße sich spie­gel­te.
Kü­chen­ge­rä­te – man ver­stand nicht, wo­zu das nach Ame­ri­ka mit­ge­nom­men wer­den
soll­te.
    »Ver­wand­te«, sag­te Leo­nie Wag­ner. »Ver­wand­te in Chi­ka­go
ha­ben das al­les für uns ge­macht. Sie ha­ben uns das Geld ge­schickt und das Vi­sum
be­sorgt. Nur ein Vi­si­tor-Vi­sum. Man muß dann nach Me­xi­ko ge­hen. Ver­wand­te.
Ver­wand­te von uns.«
    Sie war be­schämt. Sie fühl­te sich wie ein De­ser­teur,
so­lan­ge sie die Au­gen der Zu­rück­blei­ben­den auf sich fühl­te. Sie woll­te des­halb
rasch weg. Sie half selbst mit, die Sa­chen in den Mö­bel­wa­gen zu schie­ben. Sie
wür­de auf­at­men, wenn sie nur um die nächs­te Ecke war. Und die neue Angst wür­de
be­gin­nen. Ob das Schiff auch gin­ge. Ob man sie an Land lie­ße. Ob man sie nicht
zu­rück­schick­te. Es war im­mer ei­ne Angst nach der an­de­ren. Seit Jah­ren.
    Der Jung­ge­sel­le Stolz hat­te fast nichts als Bü­cher. Einen
Kof­fer mit Klei­dern und sei­ne Bi­blio­thek. Erst­dru­cke, al­te Aus­ga­ben, neue
Bü­cher. Er war ver­wach­sen, rot­haa­rig und schweig­sam.
    Ei­ne An­zahl der Zu­rück­blei­ben­den sam­mel­te sich lang­sam in
der Tür vor dem Ho­tel. Die meis­ten sag­ten nichts. Sie sa­hen nur die Sa­chen und
den Mö­bel­wa­gen an.
    »Auf Wie­der­se­hen dann«, sag­te Leo­nie Wag­ner ner­vös. Es
war al­les ein­ge­la­den. »Oder good bye.« Sie lach­te ir­ri­tiert. »Oder adieu. Man
weiß ja heu­te nicht mehr.«
    Sie be­gann ein paar Hän­de zu schüt­teln. »Ver­wand­te
drü­ben«, sag­te sie. »Ver­wand­te. Wir sel­ber hät­ten na­tür­lich nie ...«
    Sie hör­te bald auf. Der Dok­tor Ernst Sei­den­baum klopf­te
ihr auf die Schul­ter. »Macht nichts. Man­che ha­ben Glück, man­che nicht.«
    »Die meis­ten nicht«, sag­te der Emi­grant Wie­sen­hoff.
»Macht nichts. Gu­te Rei­se.«
    Jo­sef Stern ver­ab­schie­de­te sich von Ra­vic und Mo­ro­sow und
ei­ni­gen an­de­ren. Er lä­chel­te wie je­mand,

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