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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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wie­der. Das Ges­tern ist
ver­lo­ren, und kei­ne Trä­nen und Be­schwö­run­gen brin­gen es zu­rück.«
    »Du re­dest zu viel.« Mo­ro­sow stand auf. »Sei dank­bar. Du
er­lebst das En­de ei­nes Jahr­hun­derts mit. Es war kein gu­tes Jahr­hun­dert.«
    »Es war un­se­res. Du re­dest zu­we­nig, Bo­ris.«
    Mo­ro­sow trank den Rest sei­nes Gla­ses ste­hend aus. Er
stell­te es so vor­sich­tig zu­rück, als wä­re es aus Dy­na­mit und wisch­te sich den
Bart. Er war in Zi­vil und stand mäch­tig und groß vor Ra­vic. »Glau­be nicht, daß
ich nicht ver­ste­he, warum du nicht weg willst«, sag­te er lang­sam. »Ich ver­ste­he
sehr gut, daß du nicht wei­ter willst, du fa­ta­lis­ti­scher Kno­chen­schrei­ner.«
    Ra­vic kam früh ins Ho­tel zu­rück. Im Ves­ti­bül sah er ei­ne
klei­ne ver­lo­re­ne Fi­gur sit­zen, die bei sei­nem Ein­tritt auf­ge­regt, mit ei­nem
son­der­ba­ren Schwung bei­der Hän­de, vom So­fa auf­stand. Er be­merk­te, daß ein Bein
der Ho­se kei­nen Fuß hat­te. Ein schmut­zi­ger, splitt­ri­ger Holz­stumpf rag­te statt
des­sen dar­un­ter her­vor.
    »Dok­tor – Dok­tor ...«
    Ra­vic blick­te ge­nau­er hin. Im trü­ben Licht des Foy­ers sah
er das Ge­sicht ei­nes Jun­gen, breit­ge­zo­gen in ein ein­zi­ges Grin­sen. »Jean­not«,
sag­te er über­rascht. »Na­tür­lich, das ist Jean­not!«
    »Rich­tig! Im­mer noch! Ich war­te schon den gan­zen Abend
hier. Ha­be erst heu­te nach­mit­tag Ih­re Adres­se ge­kriegt.
    Hat­te schon vor­her ein paar­mal ver­sucht, sie von dem
al­ten Teu­fel, der Ober­schwes­ter in der Kli­nik, zu er­fah­ren. Aber sie sag­te mir
je­des­mal, Sie wä­ren nicht mehr in Pa­ris.«
    »Ich war auch ei­ne Zeit­lang nicht hier.«
    »Heu­te nach­mit­tag hat sie mir end­lich er­klärt, daß Sie
hier woh­nen. Da bin ich gleich ge­kom­men.« Jean­not strahl­te.
    »Ist et­was los mit dei­nem Bein?« frag­te Ra­vic.
    »Nichts!« Jean­not klopf­te auf den Holz­stumpf, als klop­fe
er ei­nem treu­en Hun­de auf den Rücken. »Ab­so­lut nichts. Al­les ta­del­los.«
    Ra­vic blick­te auf den Stumpf. »Ich se­he, du hast, was du
woll­test. Wie bist du mit der Ver­si­che­rung aus­ein­an­der­ge­kom­men?«
    »Nicht schlecht. Sie ha­ben mir ein me­cha­ni­sches Bein
be­wil­ligt. Ich ha­be das Geld da­für von dem Ge­schäft mit fünf­zehn Pro­zent Ab­zug
be­kom­men. Al­les in Ord­nung.«
    »Und dei­ne Crè­me­rie?«
    »Des­halb bin ich hier. Wir ha­ben das Milch­ge­schäft
auf­ge­macht. Klein, aber wir kom­men durch. Mut­ter ver­kauft. Ich kau­fe ein und
ver­rech­ne. Ha­be gu­te Quel­len. Di­rekt vom Lan­de.«
    Jean­not hin­k­te zu dem ab­ge­schab­ten So­fa zu­rück und hol­te
ein fest­ver­schnür­tes, braun ein­ge­pack­tes Pa­ket. »Hier, Dok­tor! Für Sie! Ich
ha­be Ih­nen das mit­ge­bracht. Nichts Be­son­de­res. Aber al­les aus un­se­rem Ge­schäft
– das Brot, die But­ter, der Kä­se, die Ei­er. Wenn man mal kei­ne Lust hat,
aus­zu­ge­hen, ist das schon ein ganz gu­tes Abendes­sen, wie?«
    Er schau­te eif­rig in Ra­vics Au­gen. »Das ist so­gar im­mer
ein gu­tes Abendes­sen«, sag­te Ra­vic.
    Jean­not nick­te be­frie­digt. »Ich hof­fe, Sie mö­gen den
Kä­se. Es ist Brie und et­was Pont l’Evêque.«
    »Das sind mei­ne Lieb­lings­kä­se.«
    »Groß­ar­tig!« Jean­not schlug sich vor Ver­gnü­gen kräf­tig
auf den Rest sei­nes ei­ge­nen Beins. »Der Pont l’Evêque war Mut­ters Idee. Ich
dach­te, Sie hät­ten Brie lie­ber. Brie ist mehr ein Kä­se für einen Mann.«
    »Bei­de sind erst­klas­sig. Ihr konn­tet es nicht bes­ser
tref­fen.« Ra­vic nahm das Pa­ket. »Dan­ke, Jean­not. Es kommt nicht oft vor, daß
Pa­ti­en­ten sich an ih­ren Arzt er­in­nern. Meis­tens kom­men sie nur, um von ih­rer
Rech­nung et­was ab­zu­han­deln.«
    »Die Rei­chen, eh?« Jean­not nick­te pfif­fig. »Wir nicht.
Schließ­lich ver­dan­ken wir Ih­nen doch al­les. Wenn das Bein nur steif ge­blie­ben
wä­re, hät­ten wir fast nichts ge­kriegt.«
    Ra­vic sah ihn an. Glaubt er et­wa, ich ha­be ihm das Bein
aus Ge­fäl­lig­keit am­pu­tiert? dach­te er.
    »Wir konn­ten nichts an­de­res ma­chen als am­pu­tie­ren,
Jean­not«, sag­te er.
    »Si­cher.« Jean­not zwin­ker­te ihm zu. »Klar.«

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