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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Zei­tungs­ge­bäu­de, die sich oh­ne Pau­se zu ja­gen
schie­nen, und auf die Men­ge, die schwei­gend da­vor­stand, die Köp­fe
zu­rück­ge­r­eckt.
    Sie sa­ßen ei­ne Zeit­lang. Ein Zieh­har­mo­ni­ka­spie­ler
pos­tier­te sich am Bor­d­rand und spiel­te La Pa­lo­ma. Die Tep­pich­händ­ler mit den
sei­de­nen Kes­hans über den Schul­tern er­schie­nen. Ein Jun­ge ver­kauf­te Pi­sta­zi­en
zwi­schen den Ti­schen. Es schi­en al­les wie im­mer – bis die Händ­ler mit den neu­en
Zei­tungs­aus­ga­ben ka­men. Sie wur­den ih­nen so­fort aus den Hän­den ge­ris­sen, und
die Ter­ras­se sah ein paar Se­kun­den spä­ter mit all den ent­fal­te­ten Zei­tun­gen
aus, als wä­re sie be­gra­ben un­ter ei­nem Schwarm rie­si­ger, wei­ßer, blut­lo­ser
Mot­ten, die mit lei­se schla­gen­den Flü­geln gie­rig auf ih­ren Op­fern sa­ßen.
    »Da geht Jo­an«, sag­te Mo­ro­sow.
    »Wo?«
    »Drü­ben.«
    Jo­an ging schräg über die Stra­ße zu ei­nem grü­nen, of­fe­nen
Wa­gen hin­über, der an der Champs-Elysées ge­parkt war. Sie sah Ra­vic nicht. Der
Mann, der mit ihr war, ging um den Wa­gen her­um und setz­te sich ans Steu­er. Er
trug kei­nen Hut und war ziem­lich jung. Er ma­nö­vrier­te den Wa­gen ge­schickt aus
den an­dern her­aus. Es war ein nied­ri­ger De­la­haye.
    »Schö­ner Wa­gen«, sag­te Ra­vic.
    »Schö­ne Rei­fen«, er­wi­der­te Mo­ro­sow und schnauf­te. »Bra­ver
ei­ser­ner Ra­vic«, setz­te er är­ger­lich hin­zu. »De­ta­chiert und mit­tel­eu­ro­pä­isch.
Schö­ner Wa­gen. Ver­fluch­tes Lu­der – das wür­de ich ver­ste­hen.«
    Ra­vic lä­chel­te. »Was macht das aus? Lu­der oder Hei­li­ge –
es ist im­mer nur, was man sel­ber dar­aus macht. Du ver­stehst das nicht, mit
dei­nen sech­zehn Frau­en, du fried­li­cher Bor­dell­be­su­cher. Die Lie­be ist kein
Händ­ler, der sei­ne Ein­la­gen zu­rück­ha­ben will. Und die Phan­ta­sie braucht nur ein
paar Nä­gel, um ih­re Schlei­er dar­an zu hän­gen. Ob es gol­de­ne, ble­cher­ne oder
ver­ros­te­te sind, macht ihr nichts. Wo sie sich fängt, da fängt sie sich.
Dorn­bü­sche und Ro­sen­sträu­cher – wenn der Schlei­er aus Mond und Perl­mut­ter
dar­über fällt, sind bei­de Mär­chen aus Tau­send­und­ei­ner Nacht.«
    Mo­ro­sow nahm einen Schluck Wein. »Du re­dest zu­viel«,
sag­te er. »Au­ßer­dem stimmt das al­les nicht.«
    »Das weiß ich. Aber in völ­li­ger Dun­kel­heit ist ein
Irr­licht auch schon ein Licht, Bo­ris.«
    Die Küh­le kam auf sil­ber­nen Fü­ßen vom Etoi­le her. Ra­vic
leg­te sei­ne Hand um das be­schla­ge­ne Glas mit Wein. Es war kühl un­ter sei­ner
Hand. Sein Le­ben war kühl un­ter sei­nem Her­zen. Der tie­fe Atem der Nacht trug
es, und mit ihm kam die tie­fe Gleich­gül­tig­keit ge­gen das Schick­sal. Das
Schick­sal und die Zu­kunft. Wann war das schon ein­mal so ähn­lich ge­we­sen? In
An­ti­bes, er­in­ner­te er sich. Als er wuß­te, daß Jo­an ihn ver­las­sen wür­de. Es war
ei­ne Gleich­gül­tig­keit, die zu Gleich­mut wur­de. So wie der Ent­schluß, nicht zu
flie­hen. Nicht mehr zu flie­hen. Es ge­hör­te zu­sam­men. Er hat­te Ra­che ge­habt und
Lie­be. Das war ge­nug. Es war nicht al­les, aber es war so viel, wie ein Mann
ver­lan­gen konn­te. Er hat­te bei­des nicht mehr er­war­tet. Er hat­te Haa­ke ge­tö­tet
und Pa­ris nicht ver­las­sen. Er wür­de es nicht mehr ver­las­sen. Es ge­hör­te da­zu.
Wer ei­ne Chan­ce nahm, muß­te auch ei­ne ge­ben. Das war nicht Re­si­gna­ti­on; es war
die Ru­he ei­nes Ent­schlus­ses, jen­seits von Lo­gik. Aus Schwan­ken wur­de Halt.
Et­was war ge­ord­net. Man war­te­te, sam­mel­te sich und sah sich um. Es war wie ein
mys­ti­sches Ver­trau­en, zu dem das Da­sein sich sam­mel­te vor ei­ner Zä­sur. Nichts
war mehr von Be­deu­tung. Al­le Flüs­se wur­den still. Ein See hob sei­nen Spie­gel in
die Nacht; der Mor­gen wür­de zei­gen, wo­hin er sich er­gie­ßen wür­de.
    »Ich muß ge­hen«, sag­te Mo­ro­sow und sah auf die Uhr.
    »Gut. Ich blei­be noch, Bo­ris.«
    »Die letz­ten Aben­de vor der Göt­ter­däm­me­rung mit­neh­men,
wie?«
    »Ge­nau. Das wird al­les nicht wie­der­kom­men.«
    »Ist das so schlimm?«
    »Nein. Wir kom­men ja auch nicht

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