E.M. Remarque
Gold vergraben haben in seinem Garten.« Er stand
auf. »Ich kann nicht darüber reden. Ich weigere mich. Es ist unmöglich. Es ist
unmöglich, daß man Frankreich verraten und verschachern kann. Wenn Gefahr
droht, wird sich alles zusammenfinden. Alles.«
»Alles«, sagte Ravic, ohne zu lächeln. »Auch die
Industrie und die Politiker, die jetzt schon Geschäfte mit Deutschland machen.«
Veber bezwang sich. »Ravic – wir – wollen wir lieber von
etwas anderem reden?«
»Gut. Ich bringe Kate Hegström nach Cherbourg. Ich bin um
Mitternacht zurück.«
»Schön.« Veber atmete heftig. »Was … was haben Sie
vorbereitet für sich, Ravic?«
»Nichts. Ich werde in ein französisches
Konzentrationslager kommen. Es wird besser sein als ein deutsches.«
»Ausgeschlossen. Frankreich wird keine Refugiés
einsperren.«
»Warten wir ab. Es ist selbstverständlich, und man kann
nichts dagegen sagen.«
»Ravic ...«
»Schön. Warten wir ab. Hoffen wir, Sie haben recht.
Wissen Sie, daß der Louvre geräumt wird? Man schickt die besten Bilder nach
Mittelfrankreich «
»Nein. Woher wissen Sie das?«
»Ich war heute nachmittag da. Die blauen Fenster der
Kathedrale von Chartres sind ebenfalls schon verpackt. Ich war gestern da.
Sentimentale Reise. Wollte sie noch einmal sehen. Sie waren schon fort. Ein
Flugplatz ist zu nahe dabei. Neue Fenster waren schon drin. So, wie im vorigen
Jahr zur Zeit der Münchner Konferenz.«
»Sehen Sie!« Veber
klammerte sich sofort daran. »Damals ist auch nichts geschehen. Große
Aufregung, und dann kam Chamberlain mit dem Regenschirm des Friedens.«
»Ja. Der Regenschirm des Friedens ist noch in London –
und die Göttin des Sieges steht noch im Louvre – ohne Kopf. Sie bleibt. Zu
schwer zu transportieren. Ich muß gehen. Kate Hegström wartet.«
Die »Normandie« lag weiß mit tausend Lichtern in der
Nacht am Kai. Der Wind kam kühl und salzig vom Wasser her. Kate Hegström zog
ihren Mantel fester um sich. Sie war sehr dünn. Ihr Gesicht hatte fast nur noch
Knochen, über die sich die Haut spannte, und darüber lagen, erschreckend groß,
die Augen wie dunkle Teiche.
»Ich bliebe lieber hier«, sagte sie. »Es ist plötzlich so
schwer, wegzugehen.«
Ravic starrte sie an. Da lag das mächtige Schiff, die
Gangway hell erleuchtet, Menschen strömten hinein, viele davon so eilig, als
fürchteten sie, im letzten Moment noch zu spät zu kommen; da lag der
schimmernde Palast, und er hieß nicht mehr »Normandie«, er hieß Entkommen,
Flucht, Rettung; er war in tausend Städten und Zimmern und dreckigen Hotels und
Kellern Europas für Zehntausende von Menschen eine unerreichbare Fata Morgana
des Lebens, und hier sagte jemand neben ihm, dem der Tod die Eingeweide
zerfraß, mit dünner und lieblicher Stimme: »Ich bliebe lieber hier.«
Es hatte alles keinen
Sinn. Für die Emigranten im »International«, für die tausend »Internationais«
in Europa, für all die Gehetzten, Gefolterten, Fliehenden, Gestellten, wäre
dieses das gelobte Land gewesen; sie wären zusammengebrochen, hätten
geschluchzt und die Gangway geküßt und an Wunder geglaubt, wenn sie den
Fahrscheinzettel gehabt hätten, der in der müden Hand neben ihm flatterte, das
Fahrscheinheft eines Menschen, der ohnehin in den Tod fuhr und der gleichzeitig
sagte: »Ich bliebe lieber hier.«
Eine Gruppe Amerikaner kam heran. Langsam, herzlich, laut.
Sie hatten alle Zeit der Welt. Die Gesandtschaft hatte sie gedrängt, zu fahren.
Sie diskutierten es. Schade eigentlich! Es wäre »fun« gewesen, sich die Sache
weiter anzusehen. Was konnte ihnen schon passieren? Der Gesandte! Man war
neutral! Schade eigentlich!
Der Geruch von Parfüm. Schmuck. Das Gesprüh von
Diamanten. Vor ein paar Stunden hatte man im »Maxime«
Weitere Kostenlose Bücher