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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ge­ges­sen, lä­cher­lich
bil­lig in Dol­lars, mit ei­nem Cor­ton 29 da­zu und ei­nem Pol Ro­ger 28 als
Ab­schluß; jetzt das Schiff, man wür­de an der Bar sit­zen, Back­gam­mon spie­len,
ein paar Whis­kys trin­ken – und vor den Kon­su­la­ten die lan­gen, hoff­nungs­lo­sen
Men­schen­rei­hen, der Ge­ruch der To­des­angst wie ei­ne Wol­ke dar­über, ein paar
über­ar­bei­te­te An­ge­stell­te, das Stand­ge­richt ei­nes klei­nen Se­kre­tärs, der im­mer
wie­der den Kopf schüt­tel­te – »Nein, kein Vi­sa, nein, un­mög­lich«, die
schwei­gen­de Ver­ur­tei­lung schwei­gen­der Schuld­lo­ser – Ra­vic starr­te auf das
Schiff, das kein Schiff mehr war, ei­ne leich­te Ar­che, die sich an­schick­te, vor
der Sint­flut da­von­zuglei­ten, der Sint­flut, der man ein­mal ent­kom­men war und die
sich jetzt an­schick­te, einen ein­zu­ho­len.
    »Es wird Zeit für Sie, Ka­te.«
    »Wird es? Adieu, Ra­vic.«
    »Adieu, Ka­te.«
    »Wir brau­chen uns nichts vor­zulü­gen, wie?«
    »Nein.«
    »Kom­men Sie bald nach ...«
    »Si­cher, Ka­te. Bald ...«
    »Adieu, Ra­vic. Dan­ke für al­les. Ich wer­de jetzt ge­hen.
Ich wer­de da hin­auf­ge­hen und win­ken. Blei­ben Sie hier, bis das Schiff fährt,
und win­ken Sie mir.«
    »Gut, Ka­te.«
    Sie ging lang­sam die Gang­way hin­auf. Ih­re Ge­stalt
schwank­te ganz we­nig. Ih­re Ge­stalt, schma­ler als al­le ne­ben ihr, rein in der
Struk­tur, fast oh­ne Fleisch, hat­te die schwar­ze Ele­ganz si­che­ren To­des. Ihr
Ge­sicht war kühn, wie der Kopf ei­ner ägyp­ti­schen Bron­ze­kat­ze – nur noch Li­nie,
Atem und Au­gen.
    Die letz­ten Fahr­gäs­te. Ein Ju­de, schweiß­über­strömt, einen
Pelz­man­tel über dem Arm, fast hys­te­risch, mit zwei Ge­päck­trä­gern, schrei­end,
lau­fend. Die letz­ten Ame­ri­ka­ner. Dann die Gang­way, die lang­sam ein­ge­zo­gen
wur­de. Ein son­der­ba­res Ge­fühl. Ein­ge­zo­gen, un­wi­der­ruf­lich. Das En­de. Ein
schma­ler Strei­fen Was­ser. Die Gren­ze. Zwei Me­ter Was­ser nur – aber die Gren­ze
zwi­schen Eu­ro­pa und Ame­ri­ka. Zwi­schen Ret­tung und Un­ter­gang.
    Ra­vic such­te nach Ka­te Hegström. Er fand sie bald. Sie
stand an der Re­ling und wink­te. Er wink­te zu­rück.
    Das Schiff schi­en sich zu be­we­gen. Das Land schi­en sich
zu­rück­zu­zie­hen. We­nig. Kaum merk­bar. Und plötz­lich war das wei­ße Schiff frei.
Es schweb­te auf dem dunklen Was­ser, vor dem dunklen Him­mel, un­er­reich­bar. Ka­te
Hegström war nicht mehr zu er­ken­nen, und die Zu­rück­blei­ben­den sa­hen sich
schwei­gend und ver­le­gen oder mit falscher Fröh­lich­keit an und gin­gen ei­lig oder
zö­gernd fort.
    Der Wa­gen fuhr durch den Abend zu­rück nach Pa­ris. Die
He­cken und Obst­baum­gär­ten der Nor­man­die flo­gen vor­über. Der Mond hing oval und
groß am neb­li­gen Him­mel. Das Schiff war ver­ges­sen. Nur noch die Land­schaft, der
Ge­ruch nach Heu und rei­fen Äp­feln, die Stil­le und die tie­fe Ru­he des
Un­ab­än­der­li­chen.
    Der Wa­gen fuhr fast laut­los. Er fuhr, als hät­te die
Schwer­kraft kei­ne Macht über ihn. Häu­ser glit­ten vor­über, Kir­chen, Dör­fer, die
gol­de­nen Fle­cken der Esta­mi­nets und Bistros, ein blin­ken­der Fluß­lauf, ei­ne
Müh­le, und dann wie­der die falsche Kon­tur der Ebe­ne, über die der Him­mel sich
wölb­te wie die In­nen­sei­te ei­ner rie­sen­haf­ten Mu­schel, in de­ren mil­chi­gem
Perl­mut­ter die Per­le des Mon­des schim­mer­te.
    Es war ein En­de und ei­ne Er­fül­lung. Ra­vic hat­te es schon
ei­ni­ge Ma­le vor­her emp­fun­den; aber jetzt kam es ganz, sehr stark und
un­ent­rinn­bar, es durch­drang ihn, und nichts wi­der­streb­te mehr.
    Al­les war schwe­bend und oh­ne Ge­wicht. Zu­kunft und
Ver­gan­gen­heit be­geg­ne­ten sich, und bei­de wa­ren oh­ne Wün­sche und Schmer­zen.
Nichts war wich­ti­ger und stär­ker als das an­de­re. Die Ho­ri­zon­te wa­ren im
Gleich­ge­wicht, und für einen son­der­ba­ren Au­gen­blick wa­ren die Scha­len des
Da­seins gleich. Das Schick­sal war nie stär­ker als der ge­las­se­ne Mut, den man
ihm ent­ge­gen­setz­te. Wenn es un­er­träg­lich wer­den wür­de, konn­te man sich tö­ten.
Es war gut, das zu wis­sen, aber es war auch gut zu

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