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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Stra­ße hin­un­ter.
    Der ro­te Schein von Pa­ris am Ho­ri­zont. Ver­dun­kelt – Pa­ris
wür­de ver­dun­kelt wer­den. Es war na­tür­lich, aber es klang son­der­bar: Pa­ris
ver­dun­kelt. Pa­ris. Als wür­de das Licht der Welt ver­dun­kelt.
    Die Vor­stadt. Die Sei­ne. Das Ge­bro­del der klei­nen
Stra­ßen. Schwin­gend die Ave­nue, die ge­ra­de auf den Arc de Triom­phe zu­führt, der
bleich und noch be­strahlt im neb­li­gen Licht des Etoi­les sich hob, und hin­ter
ihm, im­mer noch schim­mernd in vol­lem Glanz, die Champs-Elysées.
    Ra­vic at­me­te auf. Er fuhr hin­durch. Er fuhr durch die
Stadt, und dann sah er es plötz­lich: Die Dun­kel­heit hat­te schon an­ge­fan­gen,
sich auf sie zu sen­ken. Wie räu­di­ge Stel­len in ei­nem glän­zen­den Fell spran­gen
hier und da Fle­cken kran­ker Fins­ter­nis her­vor. Das bun­te Spiel der
Licht­re­kla­men war an ei­ni­gen Stel­len zer­fres­sen von lan­gen Schat­ten, die
dro­hend zwi­schen den we­ni­gen ängst­li­chen Rot und Weiß und Blau und Grün hock­ten.
Ein­zel­ne Stra­ßen la­gen schon blind da, als wä­ren schwar­ze Wür­mer durch­ge­kro­chen
und hät­ten al­len Glanz zer­drückt. Die Ave­nue Ge­or­ge V. hat­te kein Licht mehr;
in der Ave­nue Mon­taig­ne starb es ge­ra­de; Ge­bäu­de, die nachts Kas­ka­den von Licht
ge­gen die Ster­ne ge­wor­fen hat­ten, starr­ten jetzt mit kah­len, grau­en Fron­ten.
Die ei­ne Hälf­te der Ave­nue Vic­tor Ema­nu­el III. war er­lo­schen; die an­de­re stand
noch hell da – wie ein pa­ra­ly­sier­ter Kör­per in Ago­nie, halb schon tot, halb
noch voll Le­ben. Die Krank­heit si­cker­te über­all durch, und als Ra­vic zum Place
de la Con­cor­de zu­rück­kam, war auch des­sen wei­tes Rund in­zwi­schen ge­stor­ben.
    Die Mi­nis­te­ri­en la­gen blaß und farb­los, die Licht­ket­ten
wa­ren ver­schwun­den, die tan­zen­den Tri­to­nen und Ne­re­iden der wei­ßen Schaum­näch­te
wa­ren auf ih­ren Del­phi­nen er­starrt zu grau­en, form­lo­sen Klum­pen; die
Spring­brun­nen wa­ren ver­ödet, die flie­ßen­den Was­ser ver­fins­tert, und blei­ern
rag­te der einst leuch­ten­de Obe­lisk wie ein dro­hen­der, mäch­ti­ger Fin­ger der
Ewig­keit in den sich ver­dun­keln­den Him­mel, und über­all kro­chen wie Mi­kro­ben die
klei­nen, fahlblau­en, kaum sicht­ba­ren elek­tri­schen Bah­nen des Luft­schutz­diens­tes
her­vor und ver­brei­te­ten sich, fau­lig schim­mernd, wie ei­ne kos­mi­sche
Tu­ber­ku­lo­se über die laut­los nie­der­bre­chen­de Stadt.
    Ra­vic lie­fer­te den Wa­gen ab. Er nahm ein Ta­xi und fuhr
zum »In­ter­na­tio­nal«. Vor der Tür stand der Sohn der Wir­tin auf ei­ner Lei­ter. Er
schraub­te ei­ne blaue Bir­ne ein. Die Be­leuch­tung des Ein­gan­ges war im­mer so
stark ge­we­sen, um ge­ra­de das Schild zu er­ken­nen; jetzt aber reich­te das biß­chen
blau­er Schein nicht mehr aus; es ver­fehl­te die ers­te Hälf­te – blaß konn­te man
nur noch das Wort »na­tio­nal« er­ken­nen, und das auch nur mit Mü­he.
    »Gut, daß Sie kom­men«, sag­te die Wir­tin. »Da ist ei­ne
ver­rückt ge­wor­den. In Num­mer sie­ben. Am bes­ten, sie kommt aus dem Haus. Ich
kann kei­ne Ver­rück­ten im Ho­tel ha­ben.«
    »Viel­leicht ist sie nicht ver­rückt, hat nur einen
Ner­ven­kol­laps.«
    »Ganz egal! Ver­rück­te
ge­hö­ren in ein Asyl. Ich ha­be es ih­nen schon ge­sagt. Sie wol­len na­tür­lich
nicht. Was man für Sche­re­rei­en hat! Wenn sie nicht ru­hig wird, muß sie her­aus.
Es geht nicht. Die an­de­ren Gäs­te müs­sen schla­fen.«
    »Kürz­lich ist je­mand im Ritz ver­rückt ge­wor­den«, sag­te
Ra­vic. »Ein Prinz. Al­le Ame­ri­ka­ner woll­ten spä­ter ei­ne Sui­te ha­ben.«
    »Das ist et­was an­de­res. Das ist ver­rückt aus fol­lie. Das
ist ele­gant. Nicht ver­rückt aus Not.«
    Ra­vic sah sie an. »Sie ver­ste­hen das Le­ben, Ma­da­me.«
    »Das muß ich. Ich bin ein gu­ter Mensch. Ich ha­be die
Re­fu­giés auf­ge­nom­men. Al­le. Gut. Ich ha­be dar­an ver­dient. Mä­ßig. Aber ei­ne
Ver­rück­te, die schreit, das ist zu­viel. Sie muß ’raus, wenn sie nicht ru­hig
wird.«
    Es war die Frau, de­ren Jun­ge ge­fragt hat­te, wes­halb er
Ju­de sei. Sie saß auf dem Bett, ganz in die Ecke

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