Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
ge­drückt, die Hän­de vor den
Au­gen. Das Zim­mer war hell er­leuch­tet. Al­le Bir­nen brann­ten, und auf dem Tisch
stan­den noch zwei Leuch­ter mit Ker­zen.
    »Ka­ker­la­ken«, mur­mel­te
die Frau. »Ka­ker­la­ken! Schwar­ze, di­cke, glän­zen­de Ka­ker­la­ken! Da in den Ecken,
da sit­zen sie, Tau­sen­de, Un­zäh­li­ge, macht Licht, macht Licht, Licht, sonst
kom­men sie, Licht, Licht, sie kom­men, sie kom­men ...«
    Sie schrie und preß­te sich in die Ecke, die Bei­ne hoch
an­ge­zo­gen, die Hän­de von sich ge­spreizt, die Au­gen gla­sig und auf­ge­ris­sen. Der
Mann ver­such­te ih­re Hän­de zu grei­fen. »Da ist doch nichts, Mam­me, nichts in den
Ecken ...«
    »Licht! Licht! Sie kom­men! Ka­ker­la­ken ...«
    »Wir ha­ben Licht, Mam­me. Da ist doch Licht, sieh nur,
so­gar Ker­zen auf dem Tisch!« Er hol­te ei­ne Ta­schen­lam­pe her­vor und leuch­te­te
da­mit in die hel­len Ecken des hel­len Zim­mers. »Nichts ist in den Ecken, da
sieh, wie ich leuch­te, nichts ist da, nichts .,.«
    »Ka­ker­la­ken! Ka­ker­la­ken! Sie kom­men, al­les ist schwarz
von Ka­ker­la­ken! Aus al­len Ecken krie­chen sie! Licht! Licht! Die Wän­de hin­auf
krie­chen sie, sie fal­len schon von der De­cke!«
    Die Frau rö­chel­te und hob die Ar­me über den Kopf. »Wie
lan­ge geht das schon?« frag­te Ra­vic den Mann.
    »Seit es dun­kel ist. Ich war weg. Ver­such­te noch ein­mal,
man hat­te mir ge­sagt, beim Kon­sul von Hai­ti, ich nahm den Jun­gen mit, es war
nichts, wie­der nichts, und als wir zu­rück­ka­men, saß sie da in der Ecke auf dem
Bett und schrie ...«
    Ra­vic hat­te die Sprit­ze fer­tig. »Hat­te sie vor­her
ge­schla­fen?«
    Der Mann sah ihn hilf­los an. »Ich weiß nicht. Sie war
im­mer ru­hig. Wir ha­ben kein Geld für ei­ne An­stalt. Wir ha­ben auch kei­ne …
un­se­re Pa­pie­re sind nicht ge­nug. Wenn sie nur auf­hö­ren woll­te. Mam­me, es ist
doch al­les da, ich bin da, Sieg­fried ist da, der Dok­tor ist da, kei­ne
Ka­ker­la­ken sind da ...«
    »Ka­ker­la­ken!« un­ter­brach die Frau. »Von al­len Sei­ten! Sie
krie­chen! Krie­chen ...«
    Ra­vic mach­te die Sprit­ze. »Hat sie ir­gend­wann schon
ein­mal so et­was ge­habt?«
    »Nein. Ich ver­ste­he es nicht. Ich weiß nicht, warum sie
ge­ra­de von ...«
    Ra­vic hob die Hand. »Er­in­nern Sie sie nicht dar­an. Sie
wird in ein paar Mi­nu­ten mü­de wer­den und ein­schla­fen. Es kann sein, daß sie
ge­träumt hat da­von – und auf­ge­schreckt ist. Sie wird viel­leicht mor­gen
auf­wa­chen und nichts mehr wis­sen. Er­in­nern Sie sie nicht dar­an. Tun Sie, als
sei nichts ge­we­sen.«
    »Ka­ker­la­ken«, mur­mel­te die Frau schläf­rig. »Fet­te, di­cke
...«
    »Brau­chen Sie all das Licht?«
    »Wir ha­ben es an­ge­zün­det, weil sie im­mer­zu nach Licht
schrie.«
    »Ma­chen Sie das Ober­licht aus. War­ten Sie mit dem an­dern,
bis sie fest schläft. Sie wird schla­fen. Die Do­sis ist groß ge­nug. Ich wer­de
mor­gen vor­mit­tag um elf nach­se­hen.«
    »Dan­ke«, sag­te der Mann. »Sie glau­ben nicht ...«
    »Nein. So was kommt heut­zu­ta­ge oft vor. Et­was Vor­sicht
die nächs­ten Ta­ge, nicht all­zu­viel Sor­gen zei­gen ...«
    Leicht ge­sagt, dach­te er, als er zu sei­nem Zim­mer
hin­auf­stieg. Er dreh­te das Licht an. Ne­ben sei­nem Bett stan­den sei­ne Bü­cher.
Se­ne­ca, Scho­pen­hau­er, Pla­to, Ril­ke, Laot­se, Li­tai­pe, Pas­cal, He­ra­klit, ei­ne
Bi­bel, an­de­re – das Här­tes­te und das Weichs­te, vie­le in den schma­len
Dünn­druck­aus­ga­ben für je­mand, der un­ter­wegs war und we­nig mit­füh­ren konn­te. Er
such­te aus, was er mit­neh­men woll­te. Dann sah er sei­ne üb­ri­gen Sa­chen durch. Es
war nicht viel zu zer­rei­ßen. Er hat­te im­mer so ge­lebt, daß man ihn plötz­lich
ab­ho­len konn­te. Sei­ne al­te De­cke, der Man­tel – sie wür­den ihm hel­fen, wie
Freun­de. Das Gift in der aus­ge­höhlten Me­dail­le, das er schon mit ins deut­sche
Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ge­nom­men hat­te – das Be­wußt­sein, es zu ha­ben und es je­den
Au­gen­blick brau­chen zu kön­nen, hat­te ihn es leich­ter über­ste­hen las­sen –; er
steck­te die Me­dail­le ein. Bes­ser, sie bei sich zu ha­ben. Es gab Be­ru­hi­gung.
    Man wuß­te nicht, was noch

Weitere Kostenlose Bücher