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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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wis­sen, daß nie et­was
ver­lo­ren war, so­lan­ge man noch leb­te.
    Ra­vic kann­te die Ge­fahr. Er wuß­te, wo­hin er ging, und er
wuß­te auch, daß er sich mor­gen wie­der weh­ren wür­de – aber in die­ser Nacht, in
die­ser Stun­de der Rück­kehr von der Küs­te ei­nes ver­lo­re­nen Ara­rats in den
Blut­ge­ruch der kom­men­den Zer­stö­rung war plötz­lich al­les oh­ne Na­men; Ge­fahr war
Ge­fahr und doch nicht Ge­fahr; Schick­sal war Op­fer und Gott­heit, der man
op­fer­te, zu­gleich. Und das Mor­gen war ei­ne un­be­kann­te Welt.
    Es war al­les gut. Das,
was ge­we­sen war, und das, was kam. Es war ge­nug. Wenn es das En­de sein wür­de,
so war es gut. Er hat­te einen Men­schen ge­liebt und ihn ver­lo­ren. Er hat­te einen
an­dern ge­haßt und ihn ge­tö­tet. Bei­de hat­ten ihn be­freit. Der ei­ne hat­te sein
Ge­fühl wie­der auf­bre­chen las­sen, der an­de­re sei­ne Ver­gan­gen­heit aus­ge­löscht. Es
war nichts zu­rück­ge­blie­ben, was un­er­füllt war. Es war kein Wunsch mehr da; kein
Haß und kei­ne Kla­ge. Wenn es ein neu­es Be­gin­nen war, so war es das. Oh­ne
Er­war­tung, die ge­stärkt und nicht zer­ris­sen war, wür­de man an­fan­gen. Die Aschen
wa­ren aus­ge­räumt, pa­ra­ly­sier­te Stel­len leb­ten wie­der, aus Zy­nis­mus war Stär­ke
ge­wor­den. Es war gut.
    Hin­ter Caën ka­men die Pfer­de. Lan­ge Ko­lon­nen in der
Nacht, Pfer­de, Pfer­de, schat­ten­haft im Mond­licht. Und dann Vie­rer­ko­lon­nen,
Män­ner mit Bün­deln, Papp­kar­tons, Pa­ke­ten. Der Be­ginn der Mo­bi­li­sa­ti­on.
    Sie wa­ren fast ge­räusch­los. Nie­mand sang. Kaum je­mand
sprach. Sie zo­gen schwei­gend durch die Nacht, Ko­lon­nen von Schat­ten, an der
rech­ten Sei­te der Stra­ße, um Raum zu las­sen für die Wa­gen.
    Ra­vic pas­sier­te ei­ne nach der an­dern. Pfer­de, dach­te er.
Pfer­de. Wie 1914. Kei­ne Tanks. Pfer­de.
    Er hielt an ei­ner Ben­zin­sta­ti­on und ließ den Wa­gen
nach­fül­len. Der klei­ne Ort hat­te noch Licht in den Fens­tern, aber er war fast
ver­stummt. Ei­ne Ko­lon­ne zog hin­durch. Die Leu­te starr­ten ihr nach. Sie wink­ten
nicht.
    »Ich ge­he mor­gen«, sag­te der Mann an der Tank­stel­le. Er
hat­te ein kla­res, bäu­er­li­ches, brau­nes Ge­sicht. »Mein Va­ter fiel im letz­ten
Krieg. Mein Groß­va­ter 1871. Ich ge­he mor­gen. Es ist im­mer das­sel­be. Seit ein
paar hun­dert Jah­ren ma­chen wir das nun schon. Und es nützt nichts, wir müs­sen
wie­der ge­hen.«
    Er um­faß­te mit ei­nem Blick die schä­bi­ge Pum­pe, das klei­ne
Haus und die Frau, die schwei­gend ne­ben ihm stand. »Acht­und­zwan­zig Frank
drei­ßig, mein Herr.«
    Die Land­schaft wie­der. Der Mond. Lieux. Evreux. Ko­lon­nen.
Pfer­de. Schwei­gen. Ra­vic hielt vor ei­nem klei­nen Re­stau­rant. Drau­ßen stan­den
zwei Ti­sche. Die Wir­tin er­klär­te, sie ha­be nichts mehr zu es­sen da. Ein
Abendes­sen war ein Abendes­sen, im­mer noch, trotz al­lem; und in Frank­reich war
ein Ome­let­te mit Kä­se kein Abendes­sen. Schließ­lich ließ er sich doch über­zeu­gen
und hat­te auch noch einen Sa­lat da­zu und Kaf­fee und ei­ne Ka­raf­fe Vin or­dinaire.
    Ra­vic saß al­lein vor dem ro­sa Haus und aß. Über den
Wie­sen zog der Ne­bel. Ein paar Frösche quak­ten. Es war sehr still, nur aus dem
obe­ren Stock­werk des Hau­ses klang ein Laut­spre­cher. Ei­ne Stim­me, be­ru­hi­gend,
zu­ver­sicht­lich, hoff­nungs­los und gänz­lich über­flüs­sig. Je­der lausch­te und
nie­mand glaub­te ihr.
    Er zahl­te. »Pa­ris wird ver­dun­kelt«, sag­te die Wir­tin. »Es
war ge­ra­de im Ra­dio.«
    »Ja. Ge­gen Flug­zeu­g­an­grif­fe. Zur Vor­sicht. Im Ra­dio sa­gen
sie, al­les sei nur zur Vor­sicht. Es gä­be kei­nen Krieg. Man sei am Ver­han­deln.
Was den­ken Sie?«
    »Ich glau­be nicht, daß es Krieg gibt.« Ra­vic wuß­te nicht,
was er sonst ant­wor­ten soll­te.
    »Gott ge­be es. Aber was nützt es schon? Die Deut­schen
wer­den Po­len neh­men. Dann wer­den sie El­saß-Loth­rin­gen ver­lan­gen. Dann Ko­lo­ni­en.
Dann et­was an­de­res. Im­mer mehr, bis wir uns er­ge­ben oder Krieg ma­chen müs­sen.
Da ist es wohl schon bes­ser, gleich.«
    Die Wir­tin ging lang­sam ins Haus zu­rück. Ei­ne neue
Ko­lon­ne kam die

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