E.M. Remarque
erstandene
Widerstandskraft für den Kampf Ravics bis zur Überwindung der Zustände der
Anti-humanität deutlich. Er wird die Hoffnung nicht aufgeben und weiterkämpfen,
gegen die »Ratte im Menschen, die man nie ersaufen kann«, letztendlich gegen
die unter dem Vorwand falscher Ideologien und falscher Werte ausgeübte Macht:
»die ansteckendste Krankheit, die es gibt.«
IV.
Remarque ist häufig vorgeworfen worden, daß seine
Helden, insbesondere in den Emigrationsromanen Liebe deinen Nächsten (1941) , Arc de Triomphe (1946) , Die Nacht von Lissabon (1962) und Schatten
im Paradies (1971) , zwar als einzelne Widerstand gegen NS-Peiniger und
Folterer leisten, ihnen darüber hinaus aber die Perspektive des organisierten
gemeinschaftlichen Kampfes gegen die Deutschen unter faschistischer Führung
fehle. Er habe seinen Helden
weder das Bewußtsein und die Kraft noch das
moralische Antlitz gegeben, soweit über sich hinauszublicken, damit sie
Horizonte eines durch ihren Heroismus vomFaschismus befreiten Deutschland
sehen. 6
Insbesondere die marxistische Literaturkritik führt dies auf
die mangelnde Fähigkeit und den kaum vorhandenen Willen Remarques zurück, zu
einem analytischen Geschichtsverständnis durchzustoßen, das Ursachen und Wirkungen
im historischen Ablauf bloßlegt. Bei Remarque werde Geschichte nur als
unabwendbare, dem einzelnen Menschen übergestülpte und daher nicht
durchschaubare »Katastrophe« begriffen.
Zwar sind die gesellschaftlichen Zustände
Gegenstand der Kritik, doch lösen sie in dem Gedankenträger keine neuen Impulse
aus, lediglich Verbitterung überkommt sie; sie sind Außenseiter,deren Position
immer fragwürdiger wird, verlieren ihre Ideale, vereinsamen und verharren in
passiver Dulderschaft. 7
Dieser Vorwurf ist nur zum Teil richtig. Die Emigranten
Morosow und Ravic sind »heroische Rotzidioten«, sie verabreden sich »nach dem
Krieg«, hoffen also auf ein befreites Paris und letztendlich Sieg der
antifaschistischen Kräfte. Ravic sagt das im Roman, nachdem er aus seiner »passiven
Dulderschaft« zur befreienden Tat gegen einen der deutschen Sklavenhalter und
Schinder aufgestanden ist. Die persönliche Rache wird zur moralisch
verpflichtenden Widerstandshandlung im Kampf um die zurückzugewinnende
Humanität.
Es war so, daß, wenn er es nicht tat, er sich
eines unendlichen Verbrechens schuldig machte; – daß irgendetwas in der Welt
verloren war für immer, wenn er nicht handelte … Er wußte, Haake war ein
kleiner Beamter des Schreckens, und er bedeutete nicht viel; – aber er wußte plötzlich
auch, daß es unendlich wichtig war, ihn zu töten.
Richtig an dem Vorwurf ist, daß Remarque erst in seinem
KZ-Roman Der Funke Leben die Perspektive eines organisierten Widerstands
entwickelt, der die gewaltsame Beseitigung der Nazi-Herrschaft von außen und
innen und die darauffolgende humane Reorganisation Deutschlands zum Ziel hat.
Vorbereitet wird dieses Bekenntnis Remarques zu
kollektivem, Mord und Terror mit Gegengewalt beantwortendem Widerstandshandeln
durch die Notwehr-Aktion des gepeinigten Individuums gegen seine Peiniger,
vielleicht am besten zusammengefaßt in der Aussage von Schwarz, der im Exil von
den Nazis verfolgten Hauptfigur in Die Nacht von Lissabon:
... ich hatte töten müssen, um wie ein
Mensch behandelt zu werden. 8
Schon in dem ersten Emigranten-Roman Liebe Deinen Nächsten attackiert der geflohene KZ-Häftling Steiner seinen Nazi-Häscher
Steinbrenner, als er erneut gestellt wird, und stürzt sich mit ihm gemeinsam
aus
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