E.M. Remarque
im
Unterseeboot.« Nunmehr erkennt er:
Ein Leben war ein Leben; es war nichts wert und
alles; man konnte es wegwerfen, das war auch einfach. Aber warf man damit nicht
auch die Rache weg, und warf man damit nicht auch das weg, was, verhöhnt,
bespuckt und lächerlich gemacht, täglich und stündlich, ungefähr so hieß wie
Glaube an Menschlichkeit und Menschheit, trotz allem? Ein leeres Leben – das
warf man nicht weg wie eine leere Patrone! Es war immer noch gut genug, um zu
kämpfen, wenn die Zeit dafür kam und wenn es gebraucht werden sollte.
Der lächelnde Peiniger Haake hatte die damals von ihm
geliebte Frau, Sybil, gefoltert und schließlich in den Selbstmord im KZ
getrieben, Ludwig Fresenburg hatte er auf das Übelste geschunden, weil er nicht
zum Denunzianten werden wollte und keinen Namen preisgab.
Aber, so reflektiert Ravic, reichen persönliche Gründe
aus für die Hinrichtung des gemeinen Mörders Haake, »so bluttief Rache auch
war«, wenn es schon keine Möglichkeit gab, ihn vor irgendeinem Gesetz zur
Rechenschaft zu ziehen?
Vor der endgültigen Ausführung der Tat schwankt Ravic,
was er tun soll. Er fragt sich:
Was geht mich selbst dieser Mensch noch an,
dieses kleine zufällige Instrument, dieses belanglose Werkzeug in einem Stück
finsteren Mittelalters, einer Sonnenfinsternis in Mitteleuropa?.
Aber dann kommt er zu der entscheidenden Schlußfolgerung. Die
Apathie der Menschen – statt des gebotenen persönlichen Einsatzes gegen die
Antihumanisten mit allem persönlichen Risiko – hatte den Nazis erst den Weg zur
Macht eröffnet und ihnen die Rolle der Peiniger zugespielt.
Das war es! Das hatte sie groß werden lassen,
daß man müde wurde, daß man vergessen wollte, daß man dachte: Was geht es mich
an? Das war es! Einer weniger! Ja, einer weniger – das war nichts, aber das war
auch alles! Alles! (S. 362) Von diesem Moment an weiß Ravic, daß er als
antifaschistische Widerstandstat Haake töten muß und es nicht mehr »seine
eigene, kleine Angelegenheit« ist, »sondern weit mehr. Ein Anfang.«
Dieser zum Widerstand entschlossene Ravic ist der Mensch des
20. Jahrhunderts, der die Chance hat, auch den Totalitarismus zu überlisten,
ihn schließlich zu besiegen und nach seinem Untergang eine neue Welt
aufzubauen. Hier trifft sich der Ludwig Fresenburg aus Arc de Triomphe mit
dem Ludwig Fresenburg in Zeit zu leben und Zeit zu sterben, der alles
daran setzen will, daß das Elend der Geschichte des 20. Jahrhunderts sich nicht
endlos wiederholt. Auf diese Weise bemühen sich beide Fresenburgs – wie auch
die anderen humanistischen Figuren der Romane Remarques – darum, »diese Welt um
eine Raddrehung aus Blut und Schutt vorwärtsschieben zu helfen«.
III.
Arc de Triomphe ist als zeitpolitischer
Roman auch einer der großen Liebesromane der ersten Nachkriegszeit. Dies hat
ihm wohl eher die ungeheure Popularität in den USA verschafft als die Misere
von Krieg und Exil. Der Roman wurde zum zweiten Bestseller nach Im Westen
nichts Neues. Allein in den USA sollen über 2 Millionen Exemplare verkauft
worden sein. Die Filmrechte hat Remarque angeblich für 235 000 Dollar
vermarkten können. Der unter Verwendung des Romans gedrehte Film war – trotz
Ingrid Bergman, Charles Boyer und Charles Laughton – allerdings ein Mißerfolg,
und das, darin ist die Kritik sich weitgehend einig, weil die den Roman
stützende und integrierte Struktur der Zeitgeschichte und des humanitären
Widerstands gegen den Faschismus im Film zugunsten der Liebesgeschichte von
Ravic und Joan Madou mehr oder weniger herausgeschnitten wurde. Im Roman sind
Politik und Geschichte unzertrennbar mit dem Liebesthema verwoben. Das macht
der
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