E.M. Remarque
haben. »Ja«, sagte er. »Der Mensch kann
viel aushalten.«
Der Wagen fuhr die Avenue Wagram entlang und bog in den
Place de l’Etoile ein. Nirgendwo brannte ein Licht. Der Platz war nichts als
Finsternis. Es war so dunkel, daß man auch den Arc de Triomphe nicht mehr sehen
konnte.
Nachwort
Das Tor des Hades
I.
Menschen oder – bezogen auf die abendländische
Geschichte treffender gesagt – Männer errichten Triumphbögen als Wahrzeichen
für das Leid und den Schmerz, die sie über die jeweiligen Besiegten gebracht
haben, und zur pompösen Ehrung ihrer jämmerlich und in Schmerzen gestorbenen
Toten. Sie tun dies im Bewußtsein ihres Stolzes über ihre »heroischen« Taten.
Für den Humanisten und »militanten Pazifisten« 1 Remarque ist das titelgebende Monument – das 1836 errichtete Nationaldenkmal
Frankreichs mit dem Grab des Unbekannten Soldaten, eines der touristisch
beliebtesten und nationalistisch gefeierten Wahrzeichen von Paris – ein Symbol
der Perversion menschlicher Aggressivität und Antihumanität in einem
antihumanen Jahrhundert, ein düsteres Wahrzeichen sinnlosen Todes und
menschenunwürdigen Leidens.Schon bei der zweiten Erwähnung des Arc de Triomphe
im Roman wird er mit dem »riesengroßen Tor des Hades« verglichen (S. 20). 2 Im letzten Satz des Romans hat die Finsternis der Kriegs-Verdunkelung,
die Nacht des soeben eröffneten Zweiten Weltkriegs, den Arc de Triomphe im
Abgrund der Lichtlosigkeit verschluckt und damit ausgelöscht.
Die Menschheit ist auf
dem Marsch durch das Portal des Kriegsbeginns vom 1. September 1939 in den
Hades des Zweiten Weltkrieges, die Schwelle des Todes ist überschritten, hinein
in die schlimmsten Bereiche der Unterwelt unseres Jahrhunderts, eines Krieges,
der die unbeschreibliche,unvorstellbare Zahl von 50 Millionen Kriegstoten
bringen wird. 50 Millionen ausgelöschte »Funken Leben« 3 , die gern
gelebt, gelacht und geliebt hätten wie die Überlebenden. An anderen Stellen hat
Remarque sinngemäß gesagt: Nur die Toten haben den Krieg ganz erlebt. Die
Überlebenden neigen dazu, ihn in fürchterlicher Überheblichkeit zu einem
glücklich überstandenen Abenteuer zu erklären, das nicht mehr und nicht weniger
als die Vernichtung der Lebenschancen der Getöteten gekostet hat. Remarque, der
bedeutendste und entschiedenste Autor des 20. Jahrhunderts für den Frieden,
ohne jegliche Kompromisse an machtpolitische und nationalistische Eitelkeiten,
verweist auf die Geschichte, die den größten Wunsch der überwiegenden Zahl
aller Menschen: Frieden, bisher nicht hat Wirklichkeit werden lassen. Er läßt
Ravic bei der deprimierenden Lektüre von »einigen Bänden Weltgeschichte«
feststellen:
Es war immer dasselbe, und immer wieder waren
geduldige Völker da, gegeneinandergetrieben in sinnlosem Töten für Kaiser,
Religionen und Wahnsinnige – es hatte kein Ende. (S. 405)
Der Roman beginnt 1938 in
der Nacht vor dem 20. Jahrestag des Waffenstillstandes an der Westfront vom 11. November 1918 im Wald von Compiègne. Als Ravic die Frau, die sich vom Pont de
l’Alma in die Seine stürzen will, zum ersten Calvados des Romans in die
Chauffeurkneipe führt, erscheint »die Masse des Arc de Triomphe« in der Ferne
»schwebend und dunkel« (S. 9), ein vorausdeutendes Omen auf das persönliche
Schicksal dieser beiden Menschen. Am Abend des folgenden Tages beobachtet Ravic
die Menschenmenge vor dem Arc de Triomphe und das angestrahlte Grab des
Unbekannten Soldaten. Die zum Gedenken an den Waffenstillstandstag bei »dünn
und blechern« klingender Militärmusik Versammelten stehen »schweigend«, der
Schatten der
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