E.M. Remarque
hier?«
»Nein.«
Morosow grinste. »Gut«, sagte er, »schenken wir uns meine
nächste Frage und deine Antwort, die bestimmt beleidigend sein würde.
Meinetwegen können sie hier geboren sein. Sie sollen nur leise reden. Hier –
das gute, alte Damengambit.«
Ravic zog den gegenüberliegenden Bauern. Sie machten die
ersten Züge rasch. Dann begann Morosow zu brüten. »Es gibt da eine Variante von
Aljechin ...«
Einer der Spanier kam herüber. Es war ein Mann mit eng
zusammenstehenden Augen. Er blieb neben dem Tisch stehen. Morosow blickte ihn
mißvergnügt an. Der Spanier stand nicht ganz gerade. »Meine Herren«, sagte er
höflich. »Oberst Gomez bittet Sie, ein Glas Wein mit ihm zu trinken.«
»Mein Herr«, erwiderte Morosow ebenso höflich. »Wir
spielen hier soeben eine Partie Schach um die Meisterschaft des XVII.
Arrondissements. Wir danken verbindlichst, aber wir können nicht kommen.«
Der Spanier verzog keine Miene. Er wandte sich an Ravic
mit einer Formalität, als wäre er am Hofe Philipps II. »Sie haben Oberst Gomez
vor einiger Zeit eine Freundlichkeit erwiesen. Er möchte vor seiner Abreise
deshalb gern ein Glas mit Ihnen trinken.«
»Mein Partner«, erwiderte Ravic ebenso formell, »hat
Ihnen bereits erklärt, daß wir die Partie heute spielen müssen. Danken Sie dem
Obersten Gomez. Ich bedaure sehr.«
Der Spanier verbeugte sich und ging zurück. Morosow schmunzelte.
»Ganz wie die Russen in den ersten Jahren. Hielten sich an ihre Titel und
Manieren wie an Schwimmgürteln. Was für eine Freundlichkeit hast du dem
Hottentotten erwiesen?«
»Ich habe ihm einmal ein Abführmittel verschrieben.
Lateinische Völker halten sehr auf gute Verdauung.«
»Nicht schlecht.« Morosow blinzelte. »Die alte Schwäche
der Demokratie. Ein Faschist in derselben Lage hätte einem Demokraten Arsenik
gegeben.«
Der Spanier kam zurück. »Mein Name ist Oberleutnant
Navarro«, erklärte er mit dem schweren Ernst eines Mannes, der zuviel getrunken
hat und es nicht weiß. »Ich bin der Adjutant des Obersten Gomez. Der Oberst
verläßt Paris diese Nacht. Er geht nach Spanien, um sich der glorreichen Armee
des Generalissimus Franco anzuschließen. Er möchte deshalb mit Ihnen ein Glas
auf Spaniens Freiheit und Spaniens Armee trinken.«
»Oberleutnant Navarro«, sagte Ravic kurz. »Ich bin kein
Spanier.«
»Wir wissen das; Sie sind ein Deutscher.« Navarro zeigte
den Schatten eines konspiratorischen Lächelns. »Das ist gerade der Grund für
den Wunsch des Obersten Gomez. Deutschland und Spanien sind Freunde.«
Ravic sah Morosow an. Die Ironie der Situation war stark.
Es zuckte um Morosows Mund. »Oberleutnant Navarro«, sagte er. »Ich bedaure,
darauf bestehen zu müssen, diese Partie mit Doktor Ravic zu beenden. Die
Resultate müssen heute nacht noch nach New York und Kalkutta gekabelt werden.«
»Mein Herr«, erwiderte Navarro kalt. »Wir haben erwartet,
daß Sie ablehnen würden, Rußland ist der Feind Spaniens. Die Einladung bezog
sich nur auf Doktor Ravic. Wir mußten Sie miteinladen, da Sie mit ihm zusammen
sind.«
Morosow setzte einen Springer, den er gewonnen hatte, auf
seine riesige, flache Hand und sah Ravic an. »Glaubst du nicht, daß es genug
ist mit diesem Affentheater?«
»Ja.« Ravic drehte sich um. »Ich denke, es ist am
einfachsten, Sie gehen zurück, junger Mann. Sie beleidigen den Obersten
Morosow, der ein Feind der Sowjets ist, ohne Grund.«
Er beugte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, über das
Schachbrett. Navarro stand einen Moment unschlüssig. Dann ging er.
»Er ist betrunken und dann, wie viele Lateiner, ohne
Humor«, sagte Ravic. »Das ist kein Grund, daß wir keinen haben sollen. Ich
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