Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:

    Ra­vic blick­te auf sei­ne Uhr. Es war Zeit, nach Lu­ci­enne
Mar­ti­net zu se­hen. Und da­nach für das »Osi­ris«.
    Die Hu­ren im »Osi­ris« war­te­ten schon. Sie wur­den zwar
re­gel­mä­ßig von ei­nem Amts­arzt un­ter­sucht; aber der Be­sit­ze­rin war das nicht
ge­nug. Sie konn­te sich nicht leis­ten, daß sich je­mand in ih­rem Lo­kal an­steck­te,
des­halb hat­te sie mit Ve­ber ein Ab­kom­men ge­trof­fen, daß die Mäd­chen je­den
Don­ners­tag noch ein­mal pri­vat un­ter­sucht wur­den. Ra­vic ver­trat ihn manch­mal
da­bei.
    Die Be­sit­ze­rin hat­te einen Raum im ers­ten Stock als
Un­ter­su­chungs­zim­mer ein­ge­rich­tet und aus­ge­stat­tet. Sie war sehr stolz dar­auf,
daß seit mehr als ei­nem Jahr kei­ner ih­rer Kun­den sich in ih­rem Eta­blis­se­ment
et­was ge­holt hat­te; da­für aber hat­ten, trotz al­ler Vor­sicht der Mäd­chen,
sieb­zehn Kun­den Ge­schlechts­krank­hei­ten ein­ge­schleppt.
    Ro­lan­de, die Gou­ver­nan­te, brach­te Ra­vic ei­ne Fla­sche
Bran­dy und ein Glas. »Ich glau­be, Mar­the hat et­was«, sag­te sie.
    »Gut. Ich wer­de sie ge­nau an­se­hen.«
    »Ich ha­be sie schon ges­tern nicht mehr ar­bei­ten las­sen.
Sie strei­tet es ab, na­tür­lich. Aber ih­re Wä­sche ...«
    »Gut, Ro­lan­de.«
    Die Mäd­chen ka­men ei­ne nach der an­de­ren in ih­ren Hem­den
her­ein. Ra­vic kann­te fast al­le; es wa­ren nur zwei Neue da­bei.
    »Mich brau­chen Sie nicht zu un­ter­su­chen, Dok­tor«, sag­te
Leo­nie, ei­ne rot­haa­ri­ge Gas­co­gne­rin.
    »Warum nicht?«
    »Kei­ne Kun­den, die gan­ze Wo­che.«
    »Was sagt die Ma­da­me da­zu?«
    »Nichts. Ich ha­be ei­ne Men­ge Cham­pa­gner ge­macht. Sie­ben
Fla­schen je­den Abend. Drei Ge­schäfts­leu­te aus Tou­lou­se. Ver­hei­ra­tet. Woll­ten
al­le drei, aber ge­nier­ten sich vor­ein­an­der. Je­der hat­te Angst, wenn er mit mir
gin­ge, wür­den die an­dern zu Hau­se dar­über re­den. Sof­fen des­halb; je­der dach­te,
er wür­de al­lein üb­rig­blei­ben.« Leo­nie lach­te und kratz­te sich faul. »Der, der
üb­rig­b­lieb, konn­te dann nicht mehr auf­ste­hen.«
    »Gut. Ich muß dich trotz­dem un­ter­su­chen.«
    »Mei­net­we­gen. Ha­ben Sie ei­ne Zi­ga­ret­te, Dok­tor?«
    »Ja, hier.«
    Ra­vic mach­te den Ab­strich und färb­te ihn ein. Dann schob
er die Glas­p­lat­te un­ter das Mi­kro­skop.
    »Wis­sen Sie, was ich nicht ver­ste­he?« sag­te Leo­nie,
wäh­rend sie Ra­vic be­ob­ach­te­te.
    »Was?«
    »Daß Sie, wenn Sie die­se Sa­chen ma­chen, noch Lust ha­ben,
mit ei­ner Frau zu schla­fen.«
    »Das ver­ste­he ich auch nicht. Du bist in Ord­nung. Wer
kommt jetzt?«
    »Mar­the.«
    Mar­the war blaß, schmal und blond. Sie hat­te das Ge­sicht
ei­nes Bot­ti­cel­li-En­gels, aber sie sprach den Jar­gon der Rue Blon­del.
    »Mir fehlt nichts, Dok­tor.«
    »Das ist gut. Wir wer­den se­hen.«
    »Aber mir fehlt wirk­lich nichts.«
    »Um so bes­ser.«
    Ro­lan­de stand plötz­lich im Zim­mer. Sie sah Mar­the an. Das
Mäd­chen sag­te nichts mehr. Un­ru­hig sah es Ra­vic an. Er un­ter­such­te sie ge­nau.
    »Aber es ist nichts, Dok­tor. Sie wis­sen doch, wie
vor­sich­tig ich bin.«
    Ra­vic er­wi­der­te nichts. Das Mäd­chen re­de­te wei­ter –
stock­te und be­gann wie­der. Ra­vic mach­te einen Ab­strich und un­ter­such­te ihn.
    »Du bist krank, Mar­the«, sag­te er.
    »Was?« Sie war mit ei­nem Sprung auf. »Das kann nicht
stim­men.«
    »Es stimmt.«
    Sie sah ihn an. Dann
brach sie plötz­lich los – ei­ne Flut von Flü­chen und Ver­wün­schun­gen. »Die­ses
Schwein! Die­ses gott­ver­damm­te Schwein! Ich ha­be ihm gleich nicht ge­traut,
die­sem glat­ten Aas! Stu­dent wä­re er, sag­te er, müs­se es doch wis­sen, er wä­re ja
Me­di­zin­stu­dent, die­ser Lump!«
    »Warum hast du nicht auf­ge­paßt?«
    »Ich ha­be ja auf­ge­paßt, aber es ging so schnell, und er
sag­te, als Stu­dent …« Ra­vic nick­te. Die al­te Sa­che – ein Me­di­zin­stu­dent, der
sich einen Trip­per ge­holt und selbst be­han­delt hat­te. Nach zwei Wo­chen hat­te er
sich für ge­sund ge­hal­ten, oh­ne ei­ne Re­ak­ti­on zu ma­chen.
    »Wie lan­ge wird es dau­ern, Dok­tor?«
    »Sechs Wo­chen.« Ra­vic wuß­te, daß es län­ger dau­ern

Weitere Kostenlose Bücher