E.M. Remarque
und
ein paar Huren saßen darin. Die Chauffeure spielten Karten. Die Huren tranken
Absinth. Sie musterten die Frau mit raschem Blick. Dann wandten sie sich
gleichgültig ab. Die ältere gähnte laut; die andere begann sich faul zu
schminken. Im Hintergrund streute ein Pikkolo mit einem Gesicht wie eine
verdrossene Ratte Sägespäne auf die Fliesen und fing an den Flur auszufegen. Ravic
setzte sich mit der Frau an einen Tisch neben dem Eingang. Es war bequemer; er
konnte dann rascher weggehen. Er zog seinen Mantel nicht aus. »Was wollen Sie
trinken?« fragte er.
»Ich weiß nicht. Irgend etwas.«
»Zwei Calvados«, sagte
Ravic dem Kellner, der eine Weste trug und die Hemdsärmel aufgekrempelt hatte.
»Und ein Paket Chesterfield-Zigaretten.«
»Haben wir nicht«, erklärte der Kellner. »Nur
französische.«
»Gut. Dann ein Paket Laurens grün.«
»Grün haben wir auch nicht. Nur blau.«
Ravic betrachtete den Unterarm des Kellners, auf den eine
nackte Frau tätowiert war, die über Wolken ging. Der Kellner folgte seinem
Blick, ballte die Faust und ließ seine Armmuskeln springen. Die Frau wackelte
unzüchtig mit dem Bauch.
»Also blau«, sagte Ravic.
Der Kellner grinste. »Vielleicht haben wir noch eine
grün.« Er schlurfte davon.
Ravic sah ihm nach. »Rote Pantoffeln«, sagte er. »Und
eine Bauchtänzerin! Er scheint in der türkischen Marine gedient zu haben.«
Die Frau legte ihre Hände auf den Tisch. Sie tat das, als
wollte sie sie nie wieder hochnehmen. Die Hände waren gepflegt, aber das
besagte nichts. Sie waren auch nicht sehr gepflegt. Ravic sah, daß der Nagel
des rechten Mittelfingers abgebrochen und scheinbar abgerissen und nicht
weggefeilt worden war. An einigen Stellen war der Lack abgesprungen. – Der
Kellner brachte die Gläser und eine Schachtel Zigaretten.
»Laurens grün. Fand noch eine.«
»Das dachte ich mir. Waren Sie in der Marine?«
»Nein. Zirkus.«
»Noch besser.« Ravic reichte der Frau ein Glas hinüber.
»Hier, trinken Sie das. Es ist das beste um diese Zeit. Oder wollen Sie
Kaffee?«
»Nein.«
»Trinken Sie es auf einmal.«
Die Frau nickte und trank das Glas aus. Ravic betrachtete
sie.
Sie hatte ein ausgelöschtes Gesicht, fahl, fast ohne
Ausdruck. Der Mund war voll, aber blaß, die Konturen schienen verwischt, und
nur das Haar war sehr schön, von einem leuchtenden, natürlichen Blond. Sie trug
eine Baskenmütze und unter dem Regenmantel ein blaues Schneiderkostüm. Das Kostüm
war von einem guten Schneider gemacht, aber der grüne Stein des Ringes auf
ihrer Hand war viel zu groß, um nicht falsch zu sein.
»Wollen Sie noch einen?« fragte Ravic.
Sie nickte.
Er winkte dem Kellner. »Noch zwei Calvados. Aber größere
Gläser.«
»Größere Gläser? Auch mehr drin?«
»Ja.«
»Also zwei doppelte Calvados.«
»Erraten.«
Ravic beschloß, sein Glas rasch auszutrinken und dann
aufzubrechen. Er langweilte sich und war sehr müde. Im allgemeinen war er
geduldig mit Zwischenfällen; er hatte vierzig Jahre eines wechselvollen Lebens
hinter sich. Aber er kannte Situationen wie diese hier schon zu sehr. Er lebte
seit einigen Jahren in Paris und konnte nachts wenig schlafen; da sah man
vieles unterwegs.
Der Kellner brachte die Gläser. Ravic nahm den scharf und
aromatisch riechenden Apfelschnaps und stellte ihn behutsam vor die Frau.
»Trinken Sie das noch. Es hilft nicht viel, aber es wärmt. Und was Sie auch
haben – nehmen Sie es nicht zu wichtig. Es gibt wenig, das lange wichtig bleibt.«
Die Frau sah ihn an. Sie trank nicht.
»Es ist so«, sagte Ravic. »Besonders nachts. Die Nacht
übertreibt.«
Die Frau sah ihn noch immer an. »Sie brauchen mich nicht
zu trösten«, sagte sie dann.
»Um so besser.«
Ravic sah nach dem Kellner. Er hatte genug. Er kannte
diesen Typ. Wahrscheinlich
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