E.M. Remarque
Salute!«
»Salute!«
Ravic setzte sein Glas nieder. »So, und jetzt werden wir
aus dieser Menagerie hier verschwinden. Sie möchten doch noch nicht ins Hotel
zurück?«
Joan Madou schüttelte den Kopf.
»Gut. Dann werden wir weitergehen. Und zwar zur
Scheherazade. Wir werden da trinken. Das haben wir beide scheinbar nötig, und
Sie können dann gleich ansehen, was dort los ist.«
Es war gegen drei Uhr nachts.
Sie standen vor dem Hotel Milan. »Haben Sie genug
getrunken?« fragte Ravic.
Joan Madou zögerte. »Ich dachte, es wäre genug drüben in
der Scheherazade. Aber jetzt hier, wenn ich diese Tür ansehe – es war nicht
genug.«
»Dagegen läßt sich etwas tun. Vielleicht gibt es hier im
Hotel noch etwas. Sonst gehen wir in eine Kneipe und kaufen eine Flasche.
Kommen Sie.«
Sie sah ihn an. Dann sah sie die Tür an. »Gut«, sagte sie
mit einem Entschluß. Doch sie blieb stehen. »Da hinaufgehen«, sagte sie. »In
das leere Zimmer ...«
»Ich werde Sie hinaufbringen. Und wir werden eine Flasche
mitnehmen.«
Der Portier erwachte. »Haben Sie noch etwas zu trinken?«
fragte Ravic.
»Champagnercocktail?« fragte der Portier sofort
geschäftsmäßig zurück, während er noch gähnte.
»Danke. Etwas Herzhafteres. Kognak. Eine Flasche.«
»Courvoisier, Martell, Hennessy, Biscuit
Dubouche?«
»Courvoisier.«
»Sehr wohl, mein Herr. Ich werde den Kork ziehen und die
Flasche heraufbringen.«
Sie gingen die Treppe hinauf. »Haben Sie Ihren
Schlüssel?« fragte Ravic die Frau.
»Das Zimmer ist nicht abgeschlossen.«
»Man kann Ihnen Ihr Geld und Ihre Papiere stehlen, wenn
Sie nicht abschließen.«
»Das kann man auch, wenn ich abschließe.«
»Das ist wahr – bei diesen Schlössern. Trotzdem – es ist
dann nicht ganz so einfach.«
»Vielleicht. Aber ich mag nicht allein von der Straße
zurückkommen, einen Schlüssel nehmen und aufschließen, um in ein leeres Zimmer
zu gehen – das ist wie ein Grab aufschließen. Es ist schon genug, daß man ohne
das hier hineingeht – wo nichts auf einen wartet als ein paar Koffer.«
»Es wartet nirgendwo etwas«, sagte Ravic. »Man muß alles
immer selbst mitbringen.«
»Das mag sein. Aber es ist dann noch eine barmherzige
Illusion dabei. Hier ist nichts ...«
Joan Madou warf ihren Mantel und ihre Baskenmütze auf das
Bett und sah Ravic an. Ihre Augen waren hell und groß in dem blassen Gesicht
und wie erstarrt in einer zornigen Verzweiflung. Sie stand einen Augenblick so
da. Dann begann sie in dem kleinen Raum hin und her zu gehen, die Hände in den
Taschen ihrer Jacke, mit langen Schritten, geschmeidig den Körper herumwerfend,
wenn sie sich umdrehte. Ravic sah sie aufmerksam an. Sie hatte plötzlich Kraft
und eine ungestüme Grazie, und das Zimmer schien viel zu eng für sie.
Es klopfte. Der Portier brachte den Kognak herein.
»Wollen die Herrschaften noch etwas essen? Kaltes Huhn. Sandwiches ...«
»Das wäre Zeitverschwendung, Bruder.« Ravic bezahlte ihn
und schob ihn hinaus. Dann schenkte er zwei Gläser ein. »Hier. Es ist einfach
und barbarisch – aber in schwierigen Situationen ist das Primitive das beste.
Verfeinerung ist etwas für ruhige Zeiten. Trinken Sie das.«
»Und dann?«
»Dann trinken Sie das nächste.«
»Ich habe das versucht. Es nützt nichts. Es ist nicht
gut, betrunken zu sein, wenn man allein ist.«
»Man muß nur genug
betrunken sein. Dann geht es.«
Ravic setzte sich auf eine schmale, wacklige
Chaiselongue, die an der Zimmerwand dem Bett quer gegenüberstand. Er hatte sie
früher nicht gesehen. »Stand das schon hier, als Sie einzogen?« fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es hereinstellen
lassen. Ich wollte nicht in dem Bett schlafen. Es schien sinnlos. Ein Bett und
sich ausziehen und alles. Wofür? Morgens und am Tage ging es. Aber nachts
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