E.M. Remarque
zurückkommen. Noch
einmal dasselbe. Warum bleiben Sie nicht hier? Jetzt ist es schon überstanden.«
»Es ist bald Morgen. Wenn ich zurückkomme, wird es Morgen
sein. Dann ist es einfacher.«
Ravic ging zum Fenster. Es regnete immer noch. Naß und
grau wehten die Strähnen im Wind vor den gelben Lichthöfen der Laternen.
»Kommen Sie«, sagte er. »Wir trinken noch ein Glas, und
Sie legen sich schlafen. Das ist kein Wetter für Spaziergänge.«
Er griff nach der Flasche. Joan Madou war plötzlich dicht
neben ihm. »Laß mich nicht hier«, sagte sie rasch und dringend, und er fühlte
ihren Atem. »Laß mich nicht allein hier, nur heute nicht; ich weiß nicht, was
es ist, aber nur heute nicht! Morgen werde ich Mut haben, aber heute kann ich
es nicht; ich bin mürbe und weich und falle zusammen und habe keine Kraft mehr;
Sie hätten mich nicht herausnehmen sollen, nur heute nicht – ich kann jetzt
nicht allein sein.«
Ravic stellte die Flasche behutsam hin und machte ihre
Hände von seinem Arm los. »Kind«, sagte er – »irgendwann müssen wir uns alle
daran gewöhnen.« Er musterte die Chaiselongue. »Ich kann hier schlafen. Es hat
keinen Zweck, noch anderswo hinzugehen. Ich brauche ein paar Stunden Schlaf.
Muß morgen um neun operieren. Kann ebenso gut hier schlafen wie bei mir. Ist
nicht meine erste Nachtwache. Ist das ausreichend?«
Sie nickte.
Sie stand noch immer dicht neben ihm.
»Ich muß um halb acht ’raus. Verdammt früh. Wird Sie
aufwecken.«
»Das macht nichts. Ich werde aufstehen und Frühstück für
Sie machen, alles ...«
»Sie werden gar nichts tun«, sagte Ravic. »Ich werde
frühstücken im nächsten Café wie ein vernünftiger Arbeiter; Kaffee mit Rum und
Croissants. Alles andere kann ich in der Klinik machen. Wird nicht schlecht
sein, Eugenie um ein Bad zu fragen. Gut, bleiben wir hier. Zwei verlorene
Seelen im November. Sie nehmen das Bett. Wenn Sie wollen, kann ich solange zu
dem alten Portier ’runtergehen, bis Sie fertig sind.«
»Nein«, sagte Joan Madou.
»Ich laufe nicht fort. Wir brauchen außerdem noch ein
paar Sachen, Kissen, Decke und so was.«
»Ich kann klingeln.«
»Das kann ich auch.« Ravic suchte nach dem Knopf.
»Besser, ein Mann macht das.«
Der Portier kam schnell. Er hatte eine zweite
Kognakflasche in der Hand. »Sie überschätzen uns«, sagte Ravic. »Herzlichen
Dank. Wir gehören zur Nachkriegsgeneration. Eine Decke, ein Kissen und etwas
Leinen. Ich muß hier schlafen. Zu kalt und zu viel Regen draußen. Ich bin
gerade zwei Tage aus dem Bett nach einer schweren Lungenentzündung. Können Sie
das machen?«
»Selbstverständlich,
mein Herr. Dachte mir schon so etwas.«
»Gut.« Ravic zündete sich eine Zigarette an.
»Ich werde auf den Korridor gehen. Schuhe ansehen vor den
Türen. Ein alter Sport von mir. Ich laufe nicht weg«, sagte er, als er den Blick
von Joan Madou sah. »Ich bin nicht Josef von Ägypten. Ich lasse meinen Mantel
nicht im Stich.«
Der Portier kam mit den Sachen. Er stoppte, als er Ravic
im Korridor stehen sah. Dann verklärte sich sein Gesicht. »Das findet man
selten«, sagte er.
»Ich tue das auch selten. Nur an Geburtstagen und
Weihnachten. Geben Sie mir die Sachen. Ich nehme sie mit hinein. Was ist denn
das da?«
»Eine Wärmflasche. Wegen Ihrer Lungenentzündung.«
»Vortrefflich. Aber ich wärme meine Lungen mit Kognak.«
Ravic zog ein paar Scheine aus der Tasche.
»Mein Herr, Sie haben sicher keine Pyjamas. Ich kann
Ihnen ein Paar geben.«
»Danke, Bruder.« Ravic sah den Alten an. »Sie würden mir
sicher zu klein sein.«
»Im Gegenteil. Sie werden Ihnen passen. Es sind ganz
neue. Im Vertrauen gesagt, ein Amerikaner hat sie mir einmal geschenkt. Dem
hatte sie eine Dame geschenkt. Ich trage so etwas nicht. Ich trage Nachthemden.
Sie sind ganz neu, mein Herr.«
»Gut, bringen Sie sie herauf. Wir
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