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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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...«
    »Sie müs­sen et­was zu tun ha­ben.« Ra­vic zün­de­te sich ei­ne
Zi­ga­ret­te an. »Scha­de, daß wir Mo­ro­sow nicht ge­trof­fen ha­ben. Ich wuß­te nicht,
daß er heu­te sei­nen frei­en Tag hat­te. Ge­hen Sie mor­gen abend hin. Ge­gen neun.
Ir­gend et­was wird er schon für Sie fin­den. Und wenn es Ar­beit in der Kü­che
wä­re. Dann sind Sie nachts be­schäf­tigt. Das wol­len Sie doch?«
    »Ja.« Jo­an Ma­dou hör­te auf, hin und her zu ge­hen. Sie
trank das Glas Ko­gnak und setz­te sich auf das Bett. »Ich bin drau­ßen
her­um­ge­gan­gen je­de Nacht. So­lan­ge man geht, ist al­les bes­ser. Erst wenn man
sitzt, und die De­cke fällt ei­nem auf den Kopf ...«
    »Ist Ih­nen nie et­was pas­siert un­ter­wegs? Nichts ge­stoh­len
wor­den?«
    »Nein. Ich se­he wohl nicht so aus, als ob viel zu steh­len
wä­re bei mir.« Sie hielt Ra­vic ihr lee­res Glas hin. »Und das an­de­re? Ich ha­be
oft ge­nug dar­auf ge­war­tet, daß we­nigs­tens ei­ner zu ei­nem spricht! Daß man nicht
nur so nichts ist, nur Ge­hen! Daß we­nigs­tens Au­gen einen an­se­hen, Au­gen und
nicht nur Stei­ne! Daß man nicht so­wie ein Aus­ge­sto­ße­ner her­um­rennt! Wie je­mand
auf ei­nem frem­den Pla­ne­ten!« Sie warf das Haar zu­rück und nahm das Glas, daß
Ra­vic ihr hin­über­reich­te. »Ich weiß nicht, wes­halb ich da­von spre­che. Ich will
es gar nicht. Viel­leicht, weil ich stumm war all die Ta­ge. Viel­leicht, weil
heu­te abend zum ers­ten­mal …« Sie brach ab.
    »Hö­ren Sie nicht auf mich ...«
    »Ich trin­ke«, sag­te Ra­vic. »Sa­gen Sie, was Sie wol­len. Es
ist Nacht. Nie­mand hört Sie. Ich hö­re auf mich selbst. Mor­gen ist al­les
ver­ges­sen.«
    Er lehn­te sich zu­rück. Ir­gend­wo im Hau­se rausch­te Was­ser.
Die Hei­zung knack­te, und an das Fens­ter klopf­te im­mer noch mit wei­chen Fin­gern
der Re­gen.
    »Wenn man dann zu­rück­kommt und das Licht aus­macht – und
die Dun­kel­heit fällt über einen wie ein Wat­te­bausch mit Chlo­ro­form – und man
macht das Licht wie­der an und starrt und starrt...«
    Ich muß schon be­trun­ken sein, dach­te Ra­vic. Frü­her als
sonst, heu­te. Oder ist es das hal­be Licht? Oder bei­des? Das ist nicht mehr
die­sel­be, be­lang­lo­se, aus­ge­bli­che­ne Frau. Das ist et­was an­de­res. Da sind
plötz­lich Au­gen. Da ist ein Ge­sicht. Da sieht mich et­was an. Es müs­sen die
Schat­ten sein. Es ist das sanf­te Feu­er hin­ter mei­ner Stirn, das sie an­leuch­tet.
Der ers­te Glanz der Trun­ken­heit.
    Er hör­te nicht auf das, was Jo­an Ma­dou sprach. Er kann­te
es und woll­te es nicht mehr ken­nen. Al­lein sein – der ewi­ge Re­frain des Le­bens.
Es war nicht schlim­mer und nicht bes­ser als man­ches an­de­re. Man sprach zu­viel
da­von. Man war im­mer al­lein und nie. Ei­ne Gei­ge war plötz­lich da, ir­gend­wo auf
ei­nem Zwie­licht. Ein Gar­ten auf den Hü­geln von Bu­da­pest. Der schwe­re Ge­ruch der
Kas­ta­ni­en. Der Wind. Und wie jun­ge Eu­len, ge­duckt auf der Schul­ter hockend, die
Träu­me, mit Au­gen, die hel­ler wur­den in der Däm­me­rung. Die Nacht, die nie Nacht
wur­de. Die Stun­de, wo al­le Frau­en schön wa­ren. Die großen, brau­nen
Schmet­ter­lings­flü­gel des Abends.
    Er blick­te auf. »Dan­ke«, sag­te Jo­an Ma­dou.
    »Warum?«
    »Weil Sie mich spre­chen lie­ßen, oh­ne zu­zu­hö­ren. Es war
gut. Ich brauch­te das.«
    Ra­vic nick­te. Er sah, daß ihr Glas wie­der leer war.
»Gut«, sag­te er. »Ich wer­de Ih­nen die Fla­sche hier­las­sen.«
    Er stand auf. Ein Zim­mer. Ei­ne Frau. Nichts wei­ter. Ein
blas­ses Ge­sicht, in dem nichts mehr leuch­te­te. »Wol­len Sie ge­hen?« frag­te Jo­an
Ma­dou. Sie sah sich um, als sei je­mand im Zim­mer ver­steckt.
    »Hier ist die Adres­se Mo­ro­sows. Sein Na­me, da­mit Sie ihn
nicht ver­ges­sen. Mor­gen abend um neun.« Ra­vic schrieb es auf einen Re­zept­block.
Dann riß er das Blatt ab und leg­te es auf den Kof­fer.
    Jo­an Ma­dou war auf­ge­stan­den. Sie griff nach ih­rem Man­tel
und ih­rer Müt­ze. Ra­vic sah sie an. »Sie brau­chen mich nicht her­un­ter­zu­brin­gen.«
    »Das will ich auch nicht. Ich will nur nicht hier­blei­ben.
Nicht jetzt. Ich will noch ir­gend­wo her­um­ge­hen.«
    »Dann müs­sen Sie spä­ter doch wie­der

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