Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
dem drü­ben.«
    Er ver­ab­schie­de­te sich von Al­va­rez und ging auf sein
Zim­mer.
    Das Zim­mer war auf­ge­räumt und leer. Jo­an war fort. Er sah
sich um. Sie hat­te nichts hin­ter­las­sen. Er hat­te es auch nicht er­war­tet.
    Er klin­gel­te. Das Mäd­chen kam nach ei­ner Wei­le. »Die Da­me
ist fort«, sag­te es, be­vor er fra­gen konn­te.
    »Das se­he ich selbst. Wo­her wis­sen Sie denn, daß je­mand
hier war?«
    »Aber Herr Ra­vic«, sag­te das Mäd­chen, oh­ne wei­ter et­was
hin­zu­zu­fü­gen, mit ei­nem Ge­sicht, als sei ih­re Eh­re schwer be­lei­digt wor­den.
    »Hat sie Früh­stück ge­habt?«
    »Nein. Ich ha­be sie nicht ge­se­hen. Ich hät­te sonst schon
dar­an ge­dacht. Ich weiß das doch von frü­her.«
    Ra­vic sah es an. Der Nach­satz ge­fiel ihm nicht. Er zog
ein paar Frank her­vor und steck­te sie dem Mäd­chen in die Schür­zen­ta­sche.
»Schön«, sag­te er. »Ma­chen Sie es das nächs­te­mal eben­so. Brin­gen Sie nur
Früh­stück, wenn ich es Ih­nen aus­drück­lich sa­ge. Und kom­men Sie nicht zum
Auf­räu­men, be­vor Sie ge­nau wis­sen, daß das Zim­mer leer ist.«
    Das Mäd­chen lä­chel­te ver­traut. »Sehr wohl, Herr Ra­vic.«
    Er blick­te ihm un­be­hag­lich nach. Er wuß­te, was es dach­te.
Es glaub­te, Jo­an sei ver­hei­ra­tet und wol­le nicht ge­se­hen wer­den. Frü­her hät­te
er dar­über ge­lacht. Jetzt ge­fiel es ihm nicht. Warum ei­gent­lich nicht, dach­te
er. Er zuck­te die Ach­seln und ging zum Fens­ter. Ho­tels wa­ren Ho­tels. Man konn­te
das nicht än­dern.
    Er öff­ne­te das Fens­ter. Ein wol­ki­ger Mit­tag stand über
den Häu­sern. Spat­zen schri­en in den Dach­rin­nen. Einen Stock tiefer zank­ten zwei
Stim­men. Es muß­te die Fa­mi­lie Gold­berg sein. Der Mann war zwan­zig Jah­re äl­ter
als die Frau. Ge­trei­de­händ­ler en gros aus Bres­lau. Die Frau hat­te ein
Ver­hält­nis mit dem Emi­gran­ten Wie­sen­hoff. Sie glaub­te, daß nie­mand das wuß­te.
Der ein­zi­ge, der es nicht wuß­te, war Gold­berg.
    Ra­vic schloß das Fens­ter. Er hat­te mor­gens ei­ne
Gal­len­bla­se ope­riert. Ei­ne an­ony­me Gal­len­bla­se für Du­rant. Ein Stück
un­be­kann­ten, männ­li­chen Bauch, den er für Du­rant auf­ge­schnit­ten har­te.
Zwei­hun­dert Frank Ho­no­rar. Da­nach war er bei Ka­te Hegström ge­we­sen. Sie hat­te Fie­ber.
Zu­viel Fie­ber. Er war ei­ne Stun­de da­ge­we­sen. Sie hat­te un­ru­hig ge­schla­fen. Es
war nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches. Aber es hät­te bes­ser nicht sein sol­len.
    Er starr­te durch das Fens­ter. Das son­der­ba­re, lee­re
Ge­fühl des Nach­her. Das Bett, das nichts mehr sag­te. Der Tag, der das Ges­tern
un­barm­her­zig zer­riß wie ein Scha­kal das Fell ei­ner An­ti­lo­pe. Die Wäl­der der
Nacht, zau­ber­haft in der Dun­kel­heit hoch­ge­schos­sen, schon wie­der end­los
ent­fernt, ei­ne Fa­ta Mor­ga­na nur noch über der Wüs­te der Stun­den …
    Er wand­te sich ab. Auf ei­nem Tisch fand er die Adres­se
Lu­ci­enne Mar­ti­nets. Sie war vor kur­z­em ent­las­sen wor­den. Sie hat­te kei­ne Ru­he
ge­ge­ben. Er war vor zwei Ta­gen bei ihr ge­we­sen. Es war nicht nö­tig, sie schon
wie­der zu se­hen; er hat­te nichts wei­ter zu tun und be­schloß, hin­zu­ge­hen.
    Das Haus lag in der Rue Cla­vel. Zu ebe­ner Er­de lag ei­ne
Schläch­te­rei, in der ei­ne mäch­ti­ge Frau das Beil schwang und Fleisch ver­kauf­te.
Sie war in Trau­er. Der Mann war vor zwei Wo­chen ge­stor­ben. Jetzt re­gier­te die
Frau das Ge­schäft mit ei­nem Ge­sel­len. Ra­vic sah sie im Vor­bei­ge­hen. Sie schi­en
einen Be­such vor­zu­ha­ben. Sie trug einen Hut mit ei­nem lan­gen, schwar­zen
Krepp­schlei­er und hack­te für ei­ne Be­kann­te aus Ge­fäl­lig­keit rasch noch ein
Schwei­ne­bein ab. Der Schlei­er weh­te über das of­fe­ne Schwein, das Beil blitz­te
und krach­te her­nie­der.
    »Mit ei­nem Schlag«, sag­te die Wit­we be­frie­digt und warf
das Bein auf die Waa­ge.
    Lu­ci­enne wohn­te im obers­ten Stock in ei­nem klei­nen Zim­mer
un­ter dem Dach. Sie war nicht al­lein. Ein Bur­sche von et­wa fünf­und­zwan­zig
Jah­ren lun­ger­te auf ei­nem Stuhl her­um. Er hat­te ei­ne Rad­fah­rer­müt­ze auf und
rauch­te ei­ne selbst­ge­dreh­te

Weitere Kostenlose Bücher