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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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wer­de in den nächs­ten Ta­gen hin­ge­hen. Ha­ben Sie
kei­ne Angst.« Ra­vic zog sei­nen Man­tel an. »Was ist denn?« frag­te er. »Wes­halb
wol­len Sie auf­ste­hen?«
    »Bo­bo. Sie ken­nen ihn nicht.«
    Er lä­chel­te. »Ich glau­be, ich ken­ne schlim­me­re. Blei­ben
Sie nur lie­gen. Nach dem, was ich ge­se­hen ha­be, brau­chen wir kei­ne Sor­ge zu
ha­ben. Auf Wie­der­se­hen, Lu­ci­enne. Ich kom­me bald wie­der.«
    Ra­vic dreh­te den
Schlüs­sel und die Klin­ke zur sel­ben Zeit und öff­ne­te rasch die Tür. Nie­mand
stand auf dem Flur. Er hat­te es auch nicht er­war­tet; er kann­te Bo­bos Typ.
    In der Schläch­te­rei un­ten stand jetzt der Ge­sel­le, ein
gelb­ge­sich­ti­ger Mensch oh­ne die Pas­si­on der Wir­tin. Er hack­te lust­los her­um.
Seit dem Trau­er­fall war er be­deu­tend mü­der ge­wor­den.
    Sei­ne Chan­ce, die Meis­te­rin zu hei­ra­ten, war ge­ring. Ein
Bürs­ten­bin­der ge­gen­über im Bistro er­klär­te das laut und auch, daß sie ihn
vor­her eben­falls zum Fried­hof brin­gen wür­de. Der Ge­sel­le ha­be be­reits stark
ver­lo­ren. Die Wit­we aber sei mäch­tig auf­ge­blüht. Ra­vic trank einen Cas­sis und
zahl­te. Er hat­te ge­glaubt, Bo­bo in dem Bistro zu tref­fen; aber Bo­bo war nicht
da.
    Jo­an Ma­dou kam aus der Tür der Sche­herazade. Sie
öff­ne­te die Tür des Ta­xis, in dem Ra­vic war­te­te. »Komm«, sag­te sie. »Laß uns
weg von hier. Wir wol­len zu dir.«
    »Ist et­was pas­siert?«
    »Nein. Nichts. Ich ha­be nur ge­nug vom Nacht­klub­le­ben.«
    »Einen Au­gen­blick.« Ra­vic wink­te die Blu­men­ver­käu­fe­rin,
die vor dem Ein­gang stand, her­an. »Mutt­chen«, sag­te er. »Gib mir al­le dei­ne
Ro­sen. Was kos­ten sie? Aber sei nicht wahn­sin­nig.«
    »Sech­zig Frank. Für Sie. Weil Sie mir das Re­zept für den
Rheu­ma­tis­mus ge­ge­ben ha­ben.«
    »Hat es genützt?«
    »Nein. Kann es auch nicht, so­lan­ge ich die Nacht im
Nas­sen ste­he.«
    »Sie sind der ver­nünf­tigs­te Pa­ti­ent, den ich im Le­ben
ge­trof­fen ha­be.«
    Er nahm die Ro­sen. »Hier ist ei­ne Ent­schul­di­gung, weil du
heu­te mor­gen al­lein auf­wa­chen muß­test und kein Früh­stück be­kom­men hast«, sag­te
er zu Jo­an und pack­te die Blu­men auf den Bo­den des Ta­xis.
    »Willst du noch et­was trin­ken?«
    »Nein. Wir wol­len zu dir. Leg die Blu­men hier­her auf den
Sitz. Nicht auf den Bo­den.«
    »Sie lie­gen da gut. Man soll Blu­men lie­ben, aber nicht zu
vie­le Um­stän­de mit ih­nen ma­chen.«
    Sie wen­de­te rasch den Kopf. »Du meinst, was man liebt,
soll man nicht ver­wöh­nen?«
    »Nein. Ich mei­ne nur, daß man schö­ne Din­ge nicht
dra­ma­ti­sie­ren soll. Im Au­gen­blick ist es au­ßer­dem bes­ser, wenn kei­ne Blu­men
zwi­schen uns lie­gen.«
    Jo­an blick­te ihn einen Mo­ment zwei­felnd an. Dann er­hell­te
sich ihr Ge­sicht. »Weißt du, was ich heu­te ge­tan ha­be? Ich ha­be ge­lebt. Wie­der
ge­lebt. Ich ha­be ge­at­met. Wie­der ge­at­met. Ich war da. Wie­der da. Zum ers­ten
Ma­le. Ich ha­be wie­der Hän­de. Und Au­gen und einen Mund.«
    Der Chauf­feur ma­nö­vrier­te das Ta­xi in der schma­len Stra­ße
aus den an­de­ren Wa­gen her­aus. Dann fuhr er mit ei­nem Ruck an. Der Stoß warf
Jo­an ge­gen Ra­vic. Er hielt sie einen Au­gen­blick in sei­nen Ar­men und fühl­te sie.
Es war wie ein war­mer Wind, als weh­te sie ihn an und schmel­ze die Krus­ten des
Ta­ges hin­weg, die son­der­ba­re, ab­weh­ren­de Küh­le in ihm, wäh­rend sie da­saß und
sprach, hin­ge­ris­sen von ih­rem Ge­fühl und von sich selbst.
    »Den gan­zen Tag – es ström­te, als wä­ren über­all Brun­nen,
es warf sich mir über den Nacken und ge­gen die Brust, als müß­te ich grün wer­den
und Blät­ter trei­ben und Blü­ten – es hielt mich und hielt mich und hielt mich
und ließ mich nicht los – und da bin ich nun – und du ...«
    Ra­vic sah sie an. Sie saß vor­ge­beugt auf dem schmut­zi­gen
Le­der­sitz, und ih­re Schul­tern leuch­te­ten aus ih­rem schwar­zen Abend­kleid. Sie
war of­fen und un­be­denk­lich und oh­ne Scham, sie sag­te, was sie fühl­te, und er
kam sich ärm­lich und tro­cken ge­gen sie vor.
    Ich ha­be ope­riert, dach­te er. Ich ha­be dich ver­ges­sen
ge­habt. Ich war bei Lu­ci­enne. Ich

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