Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
wie mit vie­len Hän­den, und es war plötz­lich un­er­träg­lich, daß sie
ne­ben­ein­an­der stan­den, auf Fü­ßen, schma­len Platt­for­men, lä­cher­lich
auf­ge­rich­tet, ba­lan­cie­rend; an­statt es zu ver­ges­sen und nie­der­zu­sin­ken, dem
Schluch­zen der Haut nach­zu­ge­ben, dem Ruf hin­ter den Jahr­tau­sen­den, als es das
al­les noch nicht gab, Ge­hirn und Fra­gen und Qual und Zwei­fel – nur das dunkle Glück
des Blu­tes …
    »Komm«, sag­te er.
    Sie gin­gen durch den fei­nen Re­gen die lee­re, graue Stra­ße
ent­lang, und plötz­lich, als sie an das En­de ka­men, lag der Platz wie­der mäch­tig
und oh­ne Gren­zen vor ih­nen, und schwe­bend, hoch, hob sich das schwe­re Grau des
Arc aus dem flie­ßen­den Sil­ber.

9
    9    Ra­vic
ging zum Ho­tel zu­rück. Jo­an Ma­dou hat­te mor­gens noch ge­schla­fen, als er
weg­ge­gan­gen war. Er hat­te ge­glaubt, in ei­ner Stun­de zu­rück zu sein. Jetzt war
es drei Stun­den spä­ter.
    »Hal­lo, Dok­tor«, sag­te je­mand, der ihm auf der Trep­pe zum
zwei­ten Stock be­geg­ne­te.
    Ra­vic sah den Mann an. Ein blas­ses Ge­sicht, ein Busch
wil­der, schwar­zer Haa­re, ei­ne Bril­le. Er kann­te ihn nicht.
    »Al­va­rez«, sag­te der Mann. »Jai­me Al­va­rez. Er­in­nern Sie
sich nicht?«
    Ra­vic schüt­tel­te den Kopf.
    Der Mann bück­te sich und streif­te ein Ho­sen­bein hoch.
Ei­ne lan­ge Nar­be lief vom Schien­bein auf­wärts zum Knie. »Er­in­nern Sie sich
jetzt?«
    »Ha­be ich das ope­riert?«
    Der Mann nick­te. »Auf ei­nem Kü­chen­tisch hin­ter der Front.
In ei­nem pro­vi­so­ri­schen La­za­rett von Aran­juez. Klei­ne, wei­ße Vil­la in ei­nem
Man­del­hain. Er­in­nern Sie sich nun?«
    Ra­vic spür­te plötz­lich den schwe­ren Ge­ruch der
Man­del­blü­ten. Er roch ihn, als käme er die dunkle Trep­pe her­auf, fau­lig,
un­ent­wirr­bar ge­mischt mit dem sü­ße­ren und fau­le­ren von Blut.
    »Ja«, sag­te er. »Ich er­in­ne­re mich.«
    Die Ver­wun­de­ten hat­ten auf der mond­hel­len Ter­ras­se
ge­le­gen, in Rei­hen ne­ben­ein­an­der. Ein paar deut­sche und ita­lie­ni­sche Flug­zeu­ge
hat­ten das fer­tig­ge­bracht. Kin­der, Frau­en, Bau­ern, zer­ris­sen von
Bom­ben­split­tern. Ein Kind oh­ne Ge­sicht; ei­ne schwan­ge­re Frau, auf­ge­ris­sen bis
zur Brust; ein al­ter Mann, der die Fin­ger der Hand, die ihm weg­ge­schmet­tert
wa­ren, ängst­lich in der an­dern hielt, weil er glaub­te, man kön­ne sie wie­der
an­nä­hen. Über al­lem der schwe­re Nacht­ge­ruch und der kla­re, fal­len­de Tau.
    »Ist das Bein wie­der ganz in Ord­nung?« frag­te Ra­vic.
    »Un­ge­fähr. Ich kann es nicht voll bie­gen.« Der Mann
lä­chel­te. »Es war gut ge­nug, um über die Py­re­nä­en da­mit zu kom­men. Gon­za­les ist
tot.«
    Ra­vic wuß­te nicht
mehr, wer Gon­za­les war. Aber er er­in­ner­te sich jetzt an einen jun­gen Stu­den­ten,
der ihm ge­hol­fen hat­te. »Wis­sen Sie, was aus Ma­no­lo ge­wor­den ist?«
    »Ge­fan­gen. Er­schos­sen.«
    »Und Ser­na? Der Bri­ga­de­kom­man­deur?«
    »Tot. Vor Ma­drid.« Der Mann lä­chel­te wie­der. Es war ein
star­res, au­to­ma­ti­sches Lä­cheln, das plötz­lich kam und oh­ne je­de Emo­ti­on war.
»Mu­ra und La Pe­na sind ge­fan­gen wor­den. Er­schos­sen.«
    Ra­vic wuß­te nicht mehr, wer Mu­ra und La Pe­na wa­ren. Er
hat­te Spa­ni­en nach sechs Mo­na­ten ver­las­sen, als die Front durch­bra­chen war und
das La­za­rett auf­ge­löst wur­de.
    »Car­ne­ro, Or­ta und Gold­stein sind im
Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger«, sag­te Al­va­rez. »In Frank­reich. Blatz­ky ist auch si­cher.
Ver­steckt hin­ter der Gren­ze.«
    Ra­vic er­in­ner­te sich nur noch an Gold­stein. Es wa­ren zu
vie­le Ge­sich­ter da­mals ge­we­sen. »Woh­nen Sie jetzt hier im Ho­tel?« frag­te er.
    »Ja. Wir sind vor­ges­tern ein­ge­zo­gen. Drü­ben.« Der Mann
zeig­te auf die Zim­mer im zwei­ten Stock. »Wir wa­ren lan­ge im La­ger un­ten an der
Gren­ze. Sind end­lich ’raus­ge­las­sen wor­den. Wir hat­ten noch Geld.« Er lä­chel­te
wie­der. »Bet­ten. Rich­ti­ge Bet­ten. Gu­tes Ho­tel. So­gar Bil­der von un­se­ren Füh­rern
an den Wän­den.«
    »Ja«, sag­te Ra­vic oh­ne Iro­nie. »Das muß an­ge­nehm sein,
nach all

Weitere Kostenlose Bücher