E.M. Remarque
aufgeschnitten, Ravic ...«
»Ja, Kate.«
»War es nötig?«
»Ja.«
Ravic wartete. Es war besser, sie fragen zu lassen. »Wie
lange werde ich liegen müssen?«
»Ein paar Wochen.«
Sie schwieg eine Weile. »Ich glaube, es wird gut für mich
sein. Ich kann Ruhe gebrauchen. Ich hatte genug. Ich merke es jetzt. Ich war
müde. Ich wollte es nicht wahrhaben. Hatte es etwas mit dieser Sache zu tun?«
»Sicher, ganz sicher.«
»Auch das, daß ich ab und zu geblutet habe? Zwischen den
Monaten?«
»Das auch, Kate.«
»Dann ist es gut, daß ich jetzt Zeit habe. Vielleicht war
es nötig. Jetzt aufstehen müssen und all dem wieder gegenüberstehen – ich
glaube, ich könnte das nicht.«
»Sie brauchen es nicht. Vergessen Sie es. Denken Sie nur
an das Allernächste. Ihr Frühstück zum Beispiel.«
»Gut.« Sie lächelte schwach. »Dann geben Sie mir einmal
den Spiegel herüber.«
Er gab ihr den Handspiegel vom Nachttisch. Sie sah sich
aufmerksam darin an. »Sind die Blumen drüben von Ihnen, Ravic?«
»Nein. Von der Klinik.«
Sie legte den Spiegel auf das Bett. »Kliniken schicken im
Januar keinen Flieder. Kliniken schicken Astern oder so etwas. Kliniken wissen
auch nicht, daß Flieder meine Lieblingsblumen sind.«
»Hier schon. Hier sind Sie ja ein Veteran, Kate.« Ravic
stand auf. »Ich muß jetzt gehen. Ich komme so gegen sechs noch einmal vorbei,
um nach Ihnen zu sehen.«
»Ravic...«
»Ja ...«
Er wandte sich um. Jetzt kommt es, dachte er. Jetzt wird
sie fragen.
Sie streckte die Hand aus. »Danke«, sagte sie. »Danke für
die Blumen. Und danke, daß Sie auf mich aufgepaßt haben. Ich fühle mich immer
so sicher bei Ihnen.«
»Gut, Kate, gut. Da war weiter nichts aufzupassen. Und
nun schlafen Sie noch, wenn Sie können. Wenn Sie Schmerzen haben, klingeln Sie
der Schwester. Ich werde dafür sorgen, daß sie ein Mittel da hat. Nachmittags
komme ich noch einmal.«
»Veber, wo ist der Schnaps?«
»War es so schlimm? Hier ist die Flasche. Eugenie, geben
Sie einmal ein Glas heraus.«
Eugenie holte widerwillig ein Glas. »Das ist ein
Fingerhut«, protestierte Veber. »Holen Sie ein vernünftiges Glas. Oder warten
Sie, Sie könnten sich die Hand dabei brechen. Ich mache es selbst.«
»Ich weiß nicht, Herr Doktor Veber«, erklärte Eugenie
spitz. »Immer, wenn Herr Ravic hereinkommt, werden Sie ...«
»Gut, gut«, unterbrach Veber sie. Er schenkte ein Glas
Kognak ein. »Hier, Ravic. Was glaubt sie?«
»Sie fragt gar nicht. Sie glaubt, ohne zu fragen.«
Veber blickte auf. »Sehen Sie«, erwiderte er
triumphierend. »Ich habe es ja gleich gesagt.«
Ravic trank sein Glas aus. »Hat sich schon einmal ein
Patient bei Ihnen dafür bedankt, daß Sie nichts für ihn tun konnten?«
»Oft.«
»Und Ihnen alles geglaubt?«
»Selbstverständlich.«
»Und wie haben Sie sich gefühlt?«
»Erleichtert«, sagte Veber erstaunt. »Sehr erleichtert.«
»Ich fühle mich zum Kotzen. Wie ein Schwindler.«
Veber lachte. Er stellte die Flasche wieder weg. »Zum
Kotzen«, wiederholte Ravic.
»Das ist das erstemal, daß ich eine menschliche Regung
bei Ihnen entdecke«, sagte Eugenie. »Abgesehen natürlich von der Art, wie Sie
sich ausdrücken.«
»Sie sind keine Entdeckerin, Sie sind eine Pflegerin,
Eugenie, das vergessen Sie oft«, erklärte Veber. »Die Sache ist also in
Ordnung, Ravic?«
»Ja, vorläufig.«
»Gut. Sie hat heute morgen zu der Schwester gesagt, wenn
sie das Hospital verließe, wolle sie nach Italien fahren. Dann sind wir aus
allem ’raus.« Veber rieb sich die Hände. »Dann können die Ärzte drüben sich
damit beschäftigen. Ich habe nicht gern, wenn jemand hier stirbt. Schadet immer
dem Ruf.«
Ravic klingelte an der Tür der Hebamme, die bei
Lucienne den Eingriff gemacht hatte. Ein schwärzlich aussehender Mann öffnete
nach langer Zeit. Er behielt die Tür
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