E.M. Remarque
den
Smaragden, die Kate Hegström gegenübersaß. »Ein herrlicher Skandal! Ganz Paris
lacht darüber. Hast du je gewußt, daß Louis homosexuell ist? Sicher nicht. Wir
alle haben das nicht gewußt; er hat das sehr gut kaschiert. Lina de Newbourg
galt als seine offizielle Mätresse – und nun stell dir vor: Vor einer Woche
kommt er aus Rom zurück, drei Tage früher, als er gesagt hat, und geht abends
zu dem Appartement dieses Nickys, will ihn überraschen, und wen findet er da?«
»Seine Frau«, sagte Ravic.
Die Frau mit den Smaragden blickte auf. Sie sah plötzlich
aus, als hätte sie gerade gehört, ihr Mann sei bankrott. »Sie kennen die Geschichte
schon?« fragte sie.
»Nein. Aber es muß so sein.«
»Das verstehe ich nicht.« Sie starrte Ravic irritiert an.
»Es war doch äußerst unwahrscheinlich.«
Kate Hegström lächelte. »Doktor Ravic hat eine Theorie,
Daisy. Er nennt sie Systematik des Zufalls. Danach ist das Unwahrscheinliche
immer nahezu das Logischste.«
»Interessant.« Daisy lächelte höflich und gänzlich
uninteressiert. »Es wäre nichts herausgekommen«, fuhr sie fort, »wenn Louis
nicht eine fürchterliche Szene gemacht hätte. Er war völlig außer sich. Jetzt
wohnt er im Crillon. Will sich scheiden lassen. Jeder wartet auf die Gründe.
Sie lehnte sich voll Erwartung in ihren Sessel zurück. »Was sagst du dazu?«
Kate Hegström sah rasch zu Ravic hinüber. Er betrachtete
einen Zweig Orchideen, der zwischen Hutschachteln und einem Obstkorb mit
Trauben und Pfirsichen auf dem Tisch stand – schmetterlinghafte, weiße Blüten
mit lasziven, rotgesprenkelten Herzen.
»Unwahrscheinlich, Daisy«, sagte sie. »Wirklich
unwahrscheinlich!«
Daisy genoß ihren Triumph. »Das hätten Sie doch wohl
nicht vorher gewußt, wie?« fragte sie Ravic.
Er steckte behutsam den Zweig in die schmale Kristallvase
zurück.
»Nein, das allerdings nicht.«
Daisy nickte befriedigt und sammelte ihre Handtasche,
ihre Puderdose und ihre Handschuhe ein. »Ich muß davon. Louise hat um fünf eine
Cocktailparty. Ihr Minister kommt. Man munkelt da so allerlei.« Sie stand auf.
Ȇbrigens, Fery und Marthe sind wieder auseinander. Sie hat ihm ihren Schmuck
zurückgeschickt. Nunmehr zum drittenmal. Es beeindruckt ihn immer noch. Das
gute Schaf. Glaubt, um seiner selbst willen geliebt zu werden. Er wird ihr
alles zurückgeben und zur Belohnung noch ein Stück dazu. Wie immer. Er weiß es
nicht – aber sie hat sich bei Ostertag schon ausgesucht, was sie haben will. Er
kauft da immer. Eine Rubinbrosche; viereckige, große Steine, bestes Taubenblut.
Sie ist gescheit.«
Sie küßte Kate Hegström. »Adieu, mein Lamm. Jetzt bist du
wenigstens etwas auf dem laufenden über das, was in der Welt passiert. Kannst
du noch nicht bald hier heraus?« Sie sah Ravic an.
Er fing einen Blick Kate Hegströms auf. »Vorläufig noch
nicht«, sagte er. »Leider.«
Er half Daisy in ihren Mantel. Es war ein dunkler Nerz
ohne Kragen. Ein Mantel für Joan, dachte er. »Kommen Sie doch einmal mit Kate
zum Tee«, sagte Daisy. »Mittwochs sind immer nur ein paar Leute da; wir können
dann ungestört plaudern. Ich interessiere mich sehr für Operationen.«
»Gern.«
Ravic schloß die Tür hinter ihr und kam zurück. »Schöne
Smaragden«, sagte er.
Kate Hegström lachte. »Das war nun früher mein Leben,
Ravic. Können Sie das verstehen?«
»Ja. Warum nicht? Herrlich, wenn man es kann. Schützt
einen vor vielem.«
»Ich kann es nicht mehr verstehen.« Sie stand auf und
ging vorsichtig zu ihrem Bett.
Ravic sah ihr nach. »Es ist ziemlich belanglos, wo man
lebt, Kate. Es kann bequemer sein, aber es ist nie wichtig. Wichtig ist nur,
was man daraus macht. Und das auch nicht immer.«
Sie zog die langen, schönen Beine aufs Bett. »Alles ist
belanglos«, sagte
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