E.M. Remarque
möchte weg von dem allem«, sagte
sie. »Weg von diesem Hotel, weg von diesem Nachtklub mit den klebrigen Blicken,
weg!« Sie blieb stehen. »Ravic, müssen wir so leben, wie wir leben? Können wir
nicht leben wie andere Menschen, die sich lieben? Beieinandersein und Dinge
haben, die einem gehören, und Abende und Sicherheit, anstatt dieser Koffer und
leeren Tage und dieser Hotelzimmer, in denen man fremd ist?«
Ravics Gesicht war undeutbar. Da kommt es, dachte er. Er
hatte es irgendwann erwartet. »Siehst du das wirklich für uns, Joan?«
»Warum nicht? Andere haben es auch! Wärme,
Zusammengehören, ein paar Zimmer, und wenn man die Tür zumacht, ist die Unruhe
fort, und es kriecht nicht durch die Wände, wie hier.«
»Siehst du es wirklich?« wiederholte Ravic. »Ja.«
»Eine hübsche, kleine Wohnung mit einer hübschen, kleinen
Bürgerlichkeit. Eine hübsche, kleine Sicherheit am Rande des Kraters. Siehst du
das wirklich?«
»Man kann es auch anders nennen«, sagte sie traurig.
»Nicht gerade so – verächtlich. Wenn man jemand liebt, hat man andere Namen
dafür.«
»Es bleibt dasselbe, Joan. Siehst du es wirklich? Wir
sind beide nicht dafür geschaffen.«
Sie blieb stehen. »Ich schon.«
Ravic lächelte. Es war Zärtlichkeit, Ironie und ein
Schatten von Traurigkeit darin. »Joan«, sagte er. »Du auch nicht. Du noch
weniger als ich. Aber das ist nicht der einzige Grund. Da ist noch ein
anderer.«
»Ja«, erwiderte sie bitter. »Das weiß ich.«
»Nein, Joan. Das weißt du nicht. Aber ich will es dir
sagen. Es ist besser. Du sollst nicht denken, was du jetzt denkst.«
Sie stand immer noch vor ihm. »Wir wollen es rasch
machen«, sagte er. »Und frag mich nicht viel nachher.«
Sie antwortete nicht. Ihr Gesicht war leer. Es war
plötzlich wieder das Gesicht, das sie früher gehabt hatte. Er nahm ihre Hände.
»Ich lebe illegal in Frankreich«, sagte er. »Ich habe keine Papiere. Das ist
der wirkliche Grund. Deshalb kann ich nie eine Wohnung nehmen. Ich kann auch nie
heiraten, wenn ich jemand liebe. Ich brauche Ausweise und Visa dazu. Die habe
ich nicht. Ich darf nicht einmal arbeiten. Ich muß es schwarz tun. Ich kann nie
anders leben als jetzt.«
Sie starrte ihn an. »Ist das wahr?«
Er zuckte die Achseln. »Es gibt ein paar tausend
Menschen, die so ähnlich leben. Du weißt das doch sicher auch. Jeder weiß das
ja heute. Ich bin einer davon.« Er lächelte und ließ ihre Hände los. »Ein
Mensch ohne Zukunft, wie Morosow das nennt.«
»Ja… aber...«
»Ich habe es sogar noch sehr gut. Ich arbeite, ich lebe,
ich habe dich – was sind da ein paar Unbequemlichkeiten?«
»Und die Polizei?«
»Die Polizei kümmert sich nicht allzuviel darum. Wenn sie
mich zufällig erwischt, würde ich ausgewiesen, das ist alles. Aber das ist
unwahrscheinlich. Und nun geh und telefoniere deinem Nachtklub, daß du heute
nicht kommst. Wir wollen heute den Abend für uns haben. Den ganzen Abend. Sag,
daß du krank seiest. Wenn sie ein Attest wollen, besorge ich dir eines von
Veber.«
Sie ging nicht. »Ausgewiesen«, sagte sie, als begriffe
sie das nur langsam. »Ausgewiesen? Aus Frankreich? Und dann bist du fort?«
»Nur für eine kurze Zeit.«
Sie schien nicht zu hören. »Fort«, sagte sie. »Fort! Und
was soll ich dann machen?«
Ravic lächelte ihr zu. »Ja«, sagte er. »Was sollst du
dann machen?«
Sie saß da, die Hände aufgestützt, wie erstarrt. »Joan«,
sagte Ravic. »Ich bin seit zwei Jahren hier, und es ist nichts passiert.«
Ihr Gesicht veränderte sich nicht. »Und wenn es trotzdem
passiert?«
»Dann bin ich bald wieder zurück. In ein, zwei Wochen. Es
ist wie eine Reise, weiter nichts. Und nun ruf die Scheherazade an.«
Sie erhob sich zögernd. »Was soll ich sagen?«
»Daß du Bronchitis hast. Sprich etwas heiser.«
Sie ging zum Telefon hinüber. Dann kam sie rasch
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